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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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sie gar nichts mehr. Süßer sturer Bock.
     
    »Azazel – Bannerträger der Höllenarmee und Uriel, die Lichtgestalt. Wie heißen die anderen Heerscharen? Wie nennt sich Franky?«
    »Geht dich nun wirklich überhaupt nichts an …«, sagt sie noch barscher als eben. Aha, diagnostiziert der Advokat, ein wunder Punkt, also weiterbohren. Allerdings, wenn das jetzt in so eine sexuelle Rollenspielkiste geht, geht mich das wirklich nichts an, fällt mir plötzlich die Möglichkeit ein, als mein Blick auf ein Veranstaltungsmagazin fällt, auf dessen Titel ein hungriger Nosferatu einer prallen Schönheit leidenschaftlich in den Hals beißt.
    In ihrer Aufruhr wirft Felicitas energisch ihre Haare zurück. Sie hat einen entzückenden Hals mit einem herzförmigen kleinen Leberfleck links.
    »Es fehlen sechs«, stelle ich fest und frage:
    »Hast du die PIN von dem Handy?«
    »Nein. – Sechs was?«, will sie wissen.
    »Es sollen sieben Engel gewesen sein, die um Gott herumflatterten.«
    »Ah, so, ja …«, driftet sie mit ihren Gedanken in einen Winkel ihres Innersten.
     
    Eine Band muss unterdessen ihr Equipment aufgebaut haben, was mir völlig entgangen ist. Plötzlich schrammelt sie los: Hells Bells.
    An eine Weiterführung der Unterhaltung ist nicht zu denken und ich spüre, wie erleichtert Felicitas darüber ist. Sie will weg. Doch ich habe das Gefühl, dass ich sie nicht so einfach gehen lassen kann. Mich trifft ihr kurzer Blick und ich meine, in ihren Augen so etwas wie Verzweiflung wahrzunehmen. Der Moment währt nicht lange, denn sie schaut sich suchend um. Gleich wird sie aufstehen und gehen, wenn mir nichts einfällt, um sie zu halten. Sie nickt ansatzweise und zieht den Reißverschluss ihrer Jacke bis zum Kinn.
    »Bitte warte«, sage ich zu ihr gebeugt und fische eilig einige Münzen aus meinem Portemonnaie, um zu zahlen. Hoffentlich geht sie nicht, während ich mich durch die AC/DC-Fans bis zur Theke durcharbeite. Nachdem ich schließlich mein Geld losgeworden bin und zum Tisch zurückkomme, ist sie weg. Hinterher, ruft Kalle. Als ich endlich die Tür des ›Eulenspiegels‹ hinter mir schließe, sehe ich sie am unteren Treppenabsatz. Sie hat gewartet. Wunderbar. Mir wird einige Grad wärmer um die Körpermitte.

45
     
    »Fährst du mich?«, fragt sie und ich nicke. Schweigend folgt sie mir zu meinem Wagen und lässt sich auf der Beifahrerseite nieder. Ich gebe ihr das Handy, das sie eben noch so dringend haben wollte. Sie starrt reglos auf das Teil in ihrer Hand, ganz so, als habe ich ihr einen sattglitschigen, trägen Blutegel dort hineingelegt. Als ich den Motor starte, lässt sie es in ihre Jackentasche gleiten und schnallt sich an, dabei berühren sich unsere Handrücken, da ich zum zweiten Mal versuche, den Rückwärtsgang einzulegen. Ihre Hand ist kalt. Intuitiv würde ich sie jetzt gerne in meine Hände nehmen und sie wärmen.
    Oh, Heiner, pass auf! Als ich das letzte Mal so für eine Frau empfand, war ich anschließend mit ihr verheiratet. Was ein grober Fehler war, wie ich heute weiß.
     
    »Du willst mir also nicht sagen, in welche Richtung deine Vermutungen laufen bezüglich der verschwundenen Knochen?« Meine Frage, die nicht rhetorisch gemeint war, bleibt unbeantwortet, obwohl ich beim Durchkurven der Straße in Richtung Achenbach das Gefühl hatte, dass ihr etwas unter den Nägeln brennt. Sie holte einmal schwer Luft und ich hoffte, sie würde ihr Schweigen brechen.
    Es bleibt still zu meiner Rechten. In mir kocht es, keine Ahnung, warum. Biochemie, meint der Advokat nüchtern distanziert. Du stehst auf dieses Persönchen, das dort neben dir im Sportsitz kauert und einen leichten Duft nach Frühlingsblumen mit einer Pfirsichnote verströmt. Quatsch. Hoppla, jetzt hätte ich fast den Kreisel zu schnell genommen. Sacht bremse ich ab und der Wagen kriegt die Kurve. Sie schweigt immer noch. Kaum, dass ich im Wendehammer, einige Meter vor ihrer Tür, anhalte, will sie auch schon aus dem Auto hasten.
    »Ich bringe dich noch zur Tür«, sage ich.
    »Nicht nötig«, meint sie.
    »Ich bestehe drauf«, gebe ich nicht auf und sie fügt sich. Vielleicht hat sie auch über die Tote gelesen, die man in der Nähe der Tiergartenstraße, also mitten in der Stadt, nackt, vergewaltigt und erwürgt gefunden hat. Den Täter sucht man noch.
     
    Das Haus, in dem sie eine Einliegerwohnung gemietet hat, befindet sich als letztes auf der linken Seite und ist umgeben von Bäumen. Ein Waldweg führt daran vorbei und trennt

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