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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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versieht. Sein Hund ist des Teufels, seine Freundin das Lichtwesen. Irgendwie eine komische Vorstellung, dass Felicitas Engel mit dem Teufel an der Leine in einem Beerdigungsinstitut ihren Aufgaben nachgeht. Sehe das jüngste Gericht so vor mir … Uriel mit ihren schönen Beinen sitzt erhaben hinter ihrem Schreibtisch. Das Höllentier zuckt unter ihrem Blick demütig zusammen und ist ihr treu ergeben. Ihre Stimme ist tief und ruhig:
    »Was von dem, was ich über dich weiß, bereust du? Überlege die Antwort genau. Sie wird entscheidend sein.« Wie Morgentau würde sich diese Frage feuchtkalt um mein Herz legen und ich käme in Bedrängnis. Jetzt wirst du verschroben, meint der Advokat, während ich den Computer runterfahre.
    Mit spitzen Fingern berge ich den Knochen mit den Flötenlöchern aus meiner Tasche, bin erstaunt, dass er nicht zerbrochen ist, und betrachte ihn im Licht eingehend. Mensch oder Tier? Frisches Fleisch klebt keines daran. Weiß und glatt fühlt er sich an. Er ist zudem S-förmig gebogen. An beiden Enden ist er schräg abgeschnitten, wobei eine Seite einen größeren Durchmesser aufweist. Er ist kürzer als meine Hand und stellenweise fingerdick. An der dünnsten Stelle ist ein kleiner Riss zu erkennen. Vielleicht war das Schlüsselbein mal gebrochen. Nachdem ich mir meines abgetastet habe, das länger ist, bin ich mir fast sicher, dass es sich bei dem Stück um ein Schlüsselbein handelt. Es sieht so aus, als habe der Knochenschnitzer versucht, an einem Ende ein Mundstück zu formen. Nein, ich werde da jetzt nicht reinblasen, um zu hören, ob es gelungen ist. Zudem kenne ich mich nicht mit Flöten aus. Ich verstaue das Teil sicher in einer Socke. Das Internet gibt meiner Einschätzung recht. Bei dem bearbeiteten Knochen handelt es sich um ein menschliches Schlüsselbein.

44
    Eine Lücke tut sich auf und ich parke in der Nähe des ›Eulenspiegels‹. Fünf vor neun.
    Gerade als ich die Kneipentür öffne, spüre ich hinter mir einen Menschen auftauchen. Ich halte die Tür auf und schaue über die Schulter. Felicitas. Ganz schön pünktlich die Frau und ganz schön gutaussehend, naturschön. Obwohl ihre etwas müde wirkenden Augen Kummer in sich und dunkle Ringe darunter tragen, strahlt Felicitas Energie aus. Heiner, halblang, mahnt Kalle, die hat einen Freund. Schon klar, Junge, ab ins Bett, bringe ich ihn zum Schweigen.
    Wir gehen ohne ein Wort zu einem Tisch auf der kleinen Empore. Seit ich das letzte Mal vor etlichen Jahren hier war, scheint sich nicht viel verändert zu haben. Ich frage, was sie trinken möchte und bestelle für uns beide je einen Milchkaffee. Ich spüre ihre Anspannung. Sie möchte wissen, woher ich das Handy ihres Freundes habe, weiß aber nicht so recht, in welcher Form sie mich angehen soll.
    »Nu red schon«, entscheidet sie sich für die unfreundliche Variante.
    Der Kaffee wird gebracht.
    »Da bin ich schnell fertig«, sage ich und tu entspannt. Das Handy hätte ich aus einem Wäschereilieferwagen, mit dem Krankenhausmüll entwendet worden wäre. Sie habe das bestimmt im Radio verfolgt.
    »Scheiße, also doch«, murmelt sie, kippt eine Unmenge Zucker in ihren Kaffee und rührt die Brühe, als wäre es das Letzte, was sie auf dieser Welt zu tun hätte.
     
    »Nu red schon«, fordere ich mein Recht auf Erhellung.
    »Ach, eigentlich geht dich das alles gar nichts an. Gib mir das Handy und gut ist«, mauert sie sich ein.
    »Nein«, beharre ich.
    »Was soll das?« Jetzt wird sie böse.
    »Ich denke, dass es mich was angeht. Die verschwundenen Knochen um mich herum, der Mordverdacht, der seitens der Polizei auf mir lastet. Ich denke, wir haben einige lose Fäden in der Hand und wenn wir sie verknüpfen, kommen wir der Sache schon näher. Ich spüre, wenn etwas faul ist.«
    »Ach!«, giftet sie.
    »Ja«, unterstreiche ich meine Worte.
     
    Mann, ist die zäh. Sie rührt und schweigt. Neue Strategie, schlägt der Advokat vor, sprich über etwas anderes. Übers Wetter vielleicht? Sehr unpassend, gebe ich mir selbst die Antwort. Nein, Dämel, über die Beerdigung des Clowns.
    »Ist Richy schon freigegeben?«, frage ich und sie nickt.
    »Wird wohl eine anonyme Bestattung. Brandt war heute nicht mehr ansprechbar, geschweige denn, dass ich ihn hätte zu einem Gefallen bewegen können. Völlig außer sich war er. Die Polizei hat er auch noch gerufen. Du sollst eine Aussage machen«, sagt sie, dabei passt ihre ruhige und langsame Art zu sprechen nicht zu ihren verkrampften Fingern,

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