Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack
zugeschnürter Kehle, aber niemand wusste besser, wie man die Toten zu ehren hatte.
Er wandte sich nach rechts, wo Priester in braunen Kutten in einer Reihe erschienen. Mit derselben Feierlichkeit wie die Ehrengarde gingen sie auf den Altar zu. Eine zweite Reihe ging links von ihm den Gang entlang.
Im schummrigen Licht der Kirche konnte man unter den Kapuzen keine Gesichter erkennen. Er wusste, an diesem Tag würde es eine Menge Rituale geben, aber dieses hier kannte er noch nicht. Ja, das Militär wusste, wie die Toten zu ehren waren, aber die Katholiken hatten die Gabe, den Lebenden Gottesfurcht einzuflößen.
Unter dem Crescendo der Orgel gingen die Mönche auf Abstand zueinander und blieben plötzlich stehen.
Rooney zuckte zusammen - über der dröhnenden Orgel hörte er gedämpfte Schüsse. Dann waberte von allen Seiten weißer, dichter Rauch auf ihn zu.
Was vorher der feierlich-stille VIP-Bereich war, sah jetzt aus wie eine Schlammgrube, in der sich die Menschen panisch aneinanderklammerten und versuchten aus den Kirchenbänken zu drängen.
Rooney glaubte zu sehen, wie einer der Mönche eine Schrotflinte auf die Masse anlegte.
Nein, dachte er und blinzelte ungläubig. Er war sicher mit dem Kopf gegen die Mauer geknallt. Das konnte doch nicht wahr sein!
Er öffnete die Augen, als ein uniformierter Polizist mit blutender Nase und blutenden Ohren den Mittelgang entlangrannte.
Neben Rooney drückte Big Dan, sein Leibwächter, ein Taschentuch gegen den Mund, während er seine.380 aus seinem Gürtelhalfter zog. Dan schien noch zu überlegen, in welche Richtung er zielen sollte, als einer der Mönche wie aus dem Nichts auftauchte und Dan mit einem eckigen, schwarzen Teil gegen den Hals stieß. Ein unheilvolles Klacken war zu hören, Big Dan ließ seine Waffe fallen, sank auf den Sitz und zappelte wie ein in religiöse Verzückung geratener Gottesdienstbesucher.
Dann verstummte die Orgel!
John Rooney wurde von Angst gepackt. Ohne Musik waren Schreie zu hören, das panische Kreischen Tausender Trauergäste, das von den hohen Mauern widerhallte.
Gerade war die St. Patrick’s Cathedral erobert worden!
15
Ich hatte noch keine Ahnung, was gerade vor sich ging, was allerdings in letzter Zeit, seit Maeve krank war, auch meinen Grundzustand ganz gut beschrieb. Ich war immer noch benommen, als ich im Van vor der grünen Markise an unserem Haus rasch die Köpfe zählte und losfuhr. Es war acht Uhr einundvierzig, und ich hatte noch genau vier Minuten, um zur Holy Name School auf der Amsterdam Avenue zu gelangen. Andernfalls würde in jeder Klasse mindestens ein Kind nachsitzen müssen.
Vom Dach unseres Gebäudes konnte man wahrscheinlich das Dach der Schule an der 97th Street mit einem Basketball treffen, doch jeder, der mit dem Stoßverkehr in Manhattan vertraut ist, wird sagen, zwei Straßenblocks in vier Minuten schaffen zu wollen, war eine Herausforderung.
Ich hätte die Kinder auch zu Fuß gehen lassen können. Julia und Brian und die Älteren hatten bereits bewiesen, dass sie gut auf die kleinen Pimpfe aufpassen konnten. Aber ich wollte gerade jetzt so viel Zeit wie möglich mit ihnen verbringen und sie wissen lassen, dass sie nicht auf sich allein gestellt waren.
Außerdem hatte ich in letzter Zeit selbst das starke Bedürfnis, sie um mich zu wissen.
Eigentlich war der einzige Grund, warum ich keine zehn Entschuldigungen wegen Krankheit geschrieben hatte, um meinen freien Tag mit ihnen verbringen zu können, die Rektorin der Schule, Schwester Sheilah. Die Erinnerungen
meines Hinterns an die Rektorenbank reichten für ein ganzes Leben.
Nur mit äußerst knappem Vorsprung hielt ich an der Ecke zur Amsterdam Avenue. Ich sprang hinaus und riss die Tür unseres Familienbusses auf, eines zwölfsitzigen Ford Super Duty Van, den ich auf einer Polizeiauktion ersteigert hatte. Minivans waren für Vorstadtmütter gedacht, die ihre durchschnittlichen 2,2 Kinder umherfuhren. Meine NYC-Bennett-Nation benötigte einen schweren Truppentransporter.
»Lauft!«, rief ich, zog die Kinder mit beiden Händen aus dem Wagen und stellte sie auf dem Bürgersteig ab.
Shawna schaffte es gerade noch, bevor Schwester Sheilah den Haken löste, um die Tür zu schließen und zu verriegeln. Die alte, vertrocknete Nonne hielt noch nach mir Ausschau, bereit, mich mit ihrem bohrenden Blick zu erledigen.
Ich trat aufs Gas und floh mit quietschenden Reifen.
16
Zu Hause angekommen, traute ich meiner Nase nicht. Es roch nach Kaffee. Nach
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