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Totenpfad

Totenpfad

Titel: Totenpfad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths , Tanja Handels
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gleich auf den Boden wirft.
    Da kommen zwei dunkelhaarige Jungen in die Küche gestürmt und stürzen sich zu Ruths Erstaunen direkt auf Nelson.
    «Harry! Hast du deine Handschellen dabei?»
    «Kann ich sie anziehen?»
    «Nein, ich bin dran!»
    Mit unbewegter Miene zieht Nelson ein Paar Handschellen aus der Tasche und legt sie dem einen Jungen um die Handgelenke. Ruth wird ganz seltsam zumute, als sie die schmalen Hände aus den Metallfesseln herausragen sieht, doch die Kinder haben offensichtlich einen Heidenspaß daran.
    «Jetzt ich! Ich will auch mal!»
    «Aber ich hatte sie doch nur eine Sekunde. Nicht mal eine Sekunde.»
    Ruth dreht sich wieder zu Delilah um und registriert etwas betreten, dass sie Ocean inzwischen an die Brust gelegt hat. Obwohl Ruth schon viele Gesuche unterschrieben hat, das Stillen in der Öffentlichkeit zu erlauben, ist sie doch immer etwas peinlich berührt, wenn sie es mitbekommt. Vor allem angesichts der Tatsache, dass Ocean schon fast alt genug ist, um sich im Laden um die Ecke eine Tüte Chips zu kaufen.
    Während sie krampfhaft woandershin schaut, fällt ihr Blick auf die Korkpinnwand über dem Küchentisch. Sie hängt voll kunterbunter Papierschnipsel: Einladungen, herausgerissene Sonderangebote, Kinderzeichnungen, Fotos. Ein Bild zeigt Scarlet mit der kleinen Ocean, ein anderes die Zwillinge mit Fußballpokalen. Dann entdeckt Ruth ein weiteres Foto, einen verblichenen Schnappschuss, der Delilah und Alan neben einem Menhir zeigt, in Stonehenge vielleicht oder auch in Avebury. Doch nicht der Stein interessiert Ruth, sondern die dritte Person auf dem Bild. Der Mann trägt Jeans und T-Shirt und kurzes Haar, doch ohne jeden Zweifel ist es Cathbad.

13
    «Und Sie sind ganz sicher, dass er es war?»
    «Absolut. Er hatte kurze Haare und war ganz normal gekleidet, aber er war es, da besteht kein Zweifel.»
    «Dieser gerissene Hund! Ich wusste doch, dass er was zu verbergen hat.»
    «Vielleicht gibt es ja eine ganz einfache Erklärung dafür.»
    «Warum hat er denn dann nichts gesagt, als ich ihn danach gefragt habe? Er hat getan, als hätte er den Namen Henderson noch nie gehört.»
    Ruth und Nelson sitzen in einem Pub am Hafen bei einem verspäteten Mittagessen. Nelsons Vorschlag, noch etwas essen zu gehen, hat Ruth überrascht, zumal es bereits drei Uhr war, als sie von den Hendersons wegfuhren. Doch offenbar ist so ziemlich jeder Gastwirt bereit, einen Polizisten samt Polizeiausweis zu bedienen, und so sitzen sie nun in der fast entvölkerten Schankstube und schauen auf den Kai hinaus. Die Flut hat eingesetzt, am Fenster gleiten Schwäne vorbei, die in der einsetzenden Dämmerung seltsam gespenstisch aussehen.
    Ruth macht sich über ihr Bauernfrühstück her, obwohl sie sich fast ein bisschen für ihren Appetit schämt. Nelson verzehrt Würstchen mit Kartoffelpüree, als wollte er seinen Tank aufladen, ohne groß darauf zu achten, was er da eigentlich isst. Er hat darauf bestanden, dass er zahlt. Ruth trinkt Cola light – sie will schließlich nicht wegen Trunkenheit am Steuer belangt werden   –, und Nelson hat sich für die volle Kalorienzahl entschieden.
    «Meine Frau liegt mir ständig in den Ohren, dass ich Light-Getränke trinken soll», erzählt er. «Sie findet, ich bin zu dick.»
    «So, so», kommentiert Ruth ungerührt. Ihr ist schonoft aufgefallen, dass schlanke Menschen nie Cola light trinken.
    Nelson kaut ein paar Minuten schweigend, dann fragt er: «Was glauben Sie, wie alt das Foto ist?»
    «Schwer zu sagen. Cathbads Haar war noch dunkel. Inzwischen ist er ja ziemlich grau.»
    «Vor mehr als zehn Jahren also? Bevor Sie ihn das erste Mal getroffen haben?»
    «Möglich. Vor zehn Jahren hatte er lange Haare, aber die kann er ja zwischendurch abgeschnitten haben. Delilah wirkt noch sehr jung auf dem Foto.»
    «Sie zieht sich auch jetzt noch an wie ein Teenager.»
    «Sie ist sehr schön.»
    Nelson grunzt nur, sagt aber nichts.
    «Außerdem findet sie, Sie hätten eine kraftvolle Aura», setzt Ruth verschmitzt hinzu.
    Nelson formt das Wort «Bullshit» mit den Lippen, spricht es aber nicht aus. Stattdessen sagt er: «Was halten Sie denn von Alan? Nicht gerade der Mann, den man sich an ihrer Seite vorstellt, oder? Wo sie doch so schön ist.»
    Ruth denkt an Alan Henderson mit seinem spitzen Rattengesicht und den unruhigen Augen. Er scheint tatsächlich nicht der passende Mann für Delilah zu sein, die selbst im Schmerz noch etwas Exotisches an sich hat. Aber sie haben immerhin

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