Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
angebrachten Klingelknöpfe und entdeckte in der obersten Reihe links den Namen »Cornelius Landmann«.
Nervös kramte Amanda in ihrer Handtasche nach den Filterzigaretten. Ihr Herz klopfte heftig, während sie sich eine Zigarette anzündete. War es wirklich klug, sich ganz ohne Netz und doppelten Boden in ein solches Abenteuer zu stürzen? Hatte Doris recht, und sollte sie die Freundin nicht doch noch anrufen und einen Kontrollanruf mit ihr vereinbaren? Immerhin verschaffte sie sich damit die Option, das Treffen sofort abbrechen zu können, falls es unangenehm verlief. Amanda warf die Zigarettenkippe auf den Asphalt und begann in ihrer Tasche nach dem Handy zu suchen, als der von Westen kommende Wind plötzlich auffrischte und es zu regnen begann. Die Windböen trieben die Wassertropfen bis unter das Vordach, und Amanda spannte schnell ihren Schirm auf, damit ihre frisch geföhnten Haare nicht nass wurden. Verflixt, sie musste auf der Stelle aus dem Regen heraus. Entschlossen drückte sie auf Cornelius’
Klingelknopf. Mit Doris konnte sie, sollte es brenzlig werden, ja immer noch heimlich von Cornelius’ Toilette aus telefonieren. Ungeduldig wartete Amanda auf das Summen des Türöffners, doch nichts geschah. Sie versuchte es erneut, wobei sie die Klingel deutlich länger gedrückt hielt als beim ersten Mal. Als sich jedoch wieder nichts tat, trat Amanda ein paar Schritte auf die Straße hinaus, um zu der linken Dachgeschosswohnung hinaufschauen zu können. Hinter den Fenstern, die zur Dachterrasse hinausführten, war es stockdunkel. Sollte Cornelius ihre Verabredung etwa vergessen haben?
Amanda fand ihr Handy und wählte seine Mobilfunknummer, unter der sich bereits nach dem zweiten Läuten die Mailbox einschaltete.
Wahrscheinlich ist er durch irgendeinen Job aufgehalten worden, dachte sie und sah sich suchend nach einem geeigneten Platz um, wo sie im Trockenen auf Cornelius’ Kommen warten konnte. Am Ende der Gertrudenstraße entdeckte sie die rote Leuchtreklame eines Lokals und marschierte los. In der Kneipe angekommen, bestellte sie sich ein großes Bier vom Fass, obwohl sie sich vorgenommen hatte, vor ihrer Verabredung mit Cornelius keinen Alkohol zu trinken. »Zum Teufel mit den guten Vorsätzen«, nahm sie, kaum dass das Glas vor ihr stand, sofort einen großen Schluck und fragte, ob man hier rauchen durfte.
»Stecken Sie sich ruhig eine an«, ermunterte sie die ein wenig zerrupft aussehende Kellnerin hinter dem Tresen. »Wir sind ein eingetragener Raucherclub. Von mir aus können Sie heute einen Schnuppertag bei uns machen, aber wenn Sie öfter hierherkommen, müssen Sie unserem
Verein beitreten. Ist allerdings nicht so schlimm«, zwinkerte sie Amanda freundlich zu, »die Mitgliedschaft kostet einmalig nur fünf Euro.«
»Danke, ich werde es mir überlegen«, entgegnete Amanda. »Haben Sie vielleicht etwas zu schreiben für mich?«
Kurz darauf saß Amanda bereits vor dem zweiten Bier und dachte über den Inhalt der Nachricht nach, die sie Cornelius schreiben und in den Briefkasten stecken wollte.
»Zahlen bitte«, sagte sie zur Kellnerin, nachdem mittlerweile mehr als eine Stunde vergangen war und sie halbherzig ein paar Worte auf ein Blatt Papier gekritzelt hatte.
Warum hast Du mich versetzt?
Ich bin echt sauer!
Helena.
Amanda ging zu Cornelius’ Haus zurück und sah erneut zum obersten Stockwerk hinauf, wo alle Fenster nach wie vor dunkel waren.
Trotzdem wartete sie noch ein paar Minuten unter dem Vordach des Hauses, bevor sie ihre Nachricht in Cornelius’ Briefkasten warf.
»Mistkerl!«, fluchte Amanda so laut, dass sich ein Mann, der auf der anderen Straßenseite gerade aus seinem Wagen ausstieg, nach ihr umdrehte. Sie würdigte ihn keines Blickes, machte auf dem Absatz kehrt und lief auf kürzestem Weg zur S-Bahn-Station am Jungfernstieg zurück. Als sie wenig später missmutig durch das Fenster
der Bahn in die Dunkelheit hinausstarrte, wusste sie nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Noch nie zuvor in ihrem Leben war sie so dreist von einem Mann versetzt worden.
7
Anna hob die letzte Getränkekiste vom Boden des Carports und stellte sie im Abstellraum des Kellers neben die anderen. Anschließend räumte sie ihre Einkäufe in den Kühlschrank und atmete beruhigt durch, als ihr Blick auf die Wanduhr fiel. Es war gerade einmal zwölf Uhr, und sie hatte bereits alle Besorgungen für Pauls Geburtstagsfeier erledigt. Und da sie schon vor ihrer Einkaufstour sowohl das Essen als auch den
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