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Totenruhe

Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jörg Hennecke
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entschied sie, ich nehme das billigend in Kauf. Jedenfalls saßen sie nun an einem reservierten Tisch im Tandure, dem angesagtesten türkischen Restaurant im Stadtteil. Eigentlich hatte sie Werendt nur um ein Gespräch gebeten. Der hatte sie lächelnd angeschaut und zum Essen eingeladen. Da sagt frau doch nicht Nein. Oder doch? Nein, auf keinen Fall. ‹Voila, un homme›, soll Napoleon über Goethe gesagt haben. Was hätte der erst über Werendt gesagt?
    »Frau Witte, es freut mich, dass Sie mit mir sprechen wollen. Wenn ich Ihnen helfen kann … Alles, was in meiner Macht steht …« Der große Werendt schien tatsächlich verlegen. Oder spielte er das geschickt, um ein attraktives Weib zu umgarnen? Jedenfalls stand ihm die Verlegenheit ausgezeichnet. Sie machte aus dem gestandenen Mann einen Jüngling, der mit roten Ohren nach seiner Angebeteten schmachtete. Oder er ist der Kater, der listig vorm Mauseloch wartete, sagte die andere Stimme.
    »Herr Werendt …«
    »Wäre es möglich …, nun, vielleicht bin ich etwas schnell, bitte um Verzeihung. Ich heiße Joachim. Sagen Sie bitte Joachim zu mir. Darf ich Simone sagen?«
    Er durfte. »Also, Joachim, ich arbeite an einer Filmserie über Lindener Heimatgeschichte für den NDR. Da muss man zuerst gut recherchieren und dann exzellentes Filmmaterial produzieren. Die Konkurrenz ist groß.«
    »Sie schlagen jede Konkurrenz, Simone«, unterbrach der Charmeur.
    Der Ober kam mit Speise- und Getränkekarte. Werendt erwies sich als gastronomischer Kenner und sein Gast ließ sich bedenkenlos auf seine Empfehlungen ein. Der Wein war rot und schwer und hatte einen Abgang, den man bei Supermarkt-Ware vergeblich suchte. Nicht auf Preise achten zu müssen, ist ein gewaltiges Privileg, dachte sie.
    »Darf ich Ihnen Fragen stellen, ohne dass Sie das für indiskret halten? Wenn Sie nicht antworten wollen, habe ich volles Verständnis.«
    Werendt nickte und ermunterte die Frau. »Fragen Sie, nur zu.«
    »Sie sind bei Cordes beteiligt. Wie muss ich mir das vorstellen?«
    »Das ist eine Kapitalanlage. Ich bin stiller Gesellschafter. Also, ich kümmere mich nicht um das Firmengeschäft, solange die Rendite stimmt.«
    »Stimmt die Rendite?« »Ja, ich bin zufrieden.« »Was produziert Cordes genau?« »Militärisches Gerät, keine Waffen. Automatische Maschinen für den Pistenbau in unwegsamem Gelände. Die Bundeswehr nimmt die gesamte Produktion ab.«
    »Sie haben keine Skrupel bei Produkten dieser Art?«
    »Wissen Sie, die Zeit der Skrupel ist vorbei. Als ich jung war, habe ich den Wehrdienst verweigert. Ja wirklich, ich war Zivi. Aber nun ist doch vieles anders. Die Bundeswehr ist eben eine andere Truppe als die Großdeutsche Wehrmacht.«
    »Kennen Sie den Produktionsablauf bei Cordes?«
    »Nein, ich war nie im Betrieb. Unsere halbjährlichen Sitzungen finden im Verwaltungsbau statt. Im Übrigen habe ich auch keine Ahnung von Baumaschinen, ob zivil oder militärisch. Außerdem ist bei Cordes alles streng geheim. Da haben Tag und Nacht irgendwelche schwarzen Sheriffs das Sagen.«
    »Wer kontrolliert die Kontrolleure?«
    »Keine Ahnung.«
    Die Frau schaute Werendt in die Augen. Ein gut aussehender Mann mit Stil. Und der hatte keine Ahnung, wie sich sein Geld vermehrte?
    »Dennoch haben Sie keine Skrupel?«
    »Sollte ich?«
    »Die schwarzen Sheriffs werden von einer privaten Security-Firma gestellt. Was sagt die Bundeswehr dazu?«
    »Die lässt sogar eigene Objekte von privaten Firmen bewachen, weil sie nicht genug Personal hat.«
    Simone Witte nahm ihre Handtasche und entschuldigte sich. Sie musste das gesamte Lokal durchqueren und dabei sah sie zwei Bekannte an einem entlegenen Tisch in einer Fensternische: Robert Humdorf und eine Frau. Sie kannte die Frau, natürlich das war die Bezirksratsfrau Gabriele Klopp. Humdorf schaute auf und ihre Blicke trafen sich. Humdorf zuckte merklich zusammen, und Simone Witte verbeugte sich grüßend. Sieh mal an, die Frau ist nach Bayern geflohen und er lässt sich trösten, hat dabei aber ein schlechtes Gewissen. Die Klopp schaute unbefangen. Simone Witte wusste, dass die Kommunalpolitikerin seit einem Jahr geschieden war und somit die Moral auf ihrer Seite hatte. Aber das interessierte inzwischen sowieso keinen mehr. Sollte doch der Humdorf … Sicher, er ist eine Persönlichkeit, aber mindestens zehn Jahre zu alt war er aus ihrer Sicht schon. Wieso stand so ein Mannsbild auf die Klopp? Was hatte die, was andere nicht hatten? Simone Witte, das geht

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