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Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Totensonntag: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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wiedergutmach!«
    »Indem du einen Unfall baust? Und vielleicht noch jemanden umbringst?«
    »Hier! Schau her!« Kreuthner stieg auf das die Terrasse umgebende Geländer und balancierte darauf, kam nach zwei Schritten in Schräglage, verfehlte mit dem dritten das Geländer, verbog sich zwei lange Sekunden in hulahoopartigen Verrenkungen und schaffte es, fünf Klappstühle und einen Terrassentisch umzuwerfen, bevor er auf dem Boden aufkam.
    »Ich nehm dich!«, sagte Nissl zu Wallner.

    Wallner hatte sich noch einmal umgedreht, bevor sie zur Seilbahn gegangen waren. Ob Claudia mitbekommen hatte, dass er sich Nissl als Geisel angeboten hatte? Nicht dass es der Grund gewesen war, warum er es getan hatte. Trotzdem hoffte er, dass es Eindruck auf sie machte. Vielleicht, weil er das Gefühl hatte, dass sie ihn nicht ganz ernst nahm.
    Die Ladefläche der Gondel schwebte nahezu lautlos durch die föhnige Nacht.
    Nissl klammerte sich an seine Krücke, der Gewehrlauf zeigte auf Wallner.
    »Was wollen wir machen, wenn wir im Auto sitzen?«, fragte Wallner.
    »Wegfahren. Weit weg. Nach Österreich.«
    »Das sind fünfzehn Kilometer. Und dann?«
    Nissl schwieg und sah bekümmert aus.
    »Bist du viel verreist?«
    Nissl schüttelte den Kopf.
    »Du warst doch immer unterwegs. Bis wohin bist du gekommen?«
    »In Garmisch war ich mal. Und in München. Siebenundsechzig. Da ham s’ das Drugstore in Schwabing eröffnet. Das war a Party! Champagner hamma getrunken. Und die Mädels …« Ein Lächeln huschte über Nissls Gesicht.
    »Das Drugstore! Kenn ich. Sieht immer noch so aus wie vor fünfundzwanzig Jahren.«
    Nissl lachte in sich hinein und schüttelte den Kopf. »Des war a verrückte Zeit. Damals war ich noch reich.« Das Lächeln verschwand wieder. »Is lang her. Sehr lang.«
    »Thomas?«
    Zwei müde Augen richteten sich auf Wallner.
    »Vielleicht kriegst ja noch mal Bewährung. Die Richterin ist doch ganz in Ordnung.«
    Nissl schüttelte den Kopf. »Der Leo hat recht. Die muss mich einsperren. Die kann net anders.«
    »Ja und? Dann bist du den Winter im Warmen. Ist doch gar nicht so schlecht. Und im Frühjahr kommst wieder raus.«
    »Ich geh net ins Gefängnis.« Nissl sagte es so ruhig und bestimmt, dass Wallner unbehaglich wurde. Da war ein Zug an Nissls Wesen, dunkel und unheimlich, der Wallner Angst machte.
    »Du hast keine Chance. Sie werden dich kriegen. Ich weiß nicht mal, ob die uns über die österreichische Grenze lassen. Was, wenn die einfach die Schranke nicht hochmachen? Was machst du dann?«
    Die untere Seilbahnstation kam näher. Es mochten noch zwei- oder dreihundert Meter sein. Alles lag ruhig im bläulichen Licht des Vollmonds. Unter ihnen tauchten die ersten größeren Bäume nach der Latschenkiefernzone auf.
    Nissl hatte lange nachgedacht über Wallners Argumente. »Da hast du wohl recht«, sagte er. »Ich hab keine Chance, oder?«
    »Nein. Hast du nicht.« Er streckte eine Hand aus. »Gib mir das Gewehr. Dann sagen wir, es war falscher Alarm. Und dass du da oben aus Versehen geschossen hast.« Wallner sah in die Augen seines Gegenübers. Sie schimmerten im Mondlicht besonders blau. Aus ihnen war jede Hoffnung gewichen. »Nur ein paar Monate, dann bist du wieder draußen.« Wallner hielt weiter die offene Hand ausgestreckt. Nissl überlegte, zögerte, dann gab er Wallner das Gewehr. »Es tut mir leid, dass ich dem Wirt ins Bein geschossen hab. Sagst ihm das bitte.« Wallner nickte und hatte das Gefühl, dass hier jemand Abschied nahm. Es hörte sich an wie letzte Worte. Und im gleichen Augenblick, als Wallner das dachte, stand Nissl auf und ließ sich in die Tiefe fallen.

11
    D er Lichtstrahl der Taschenlampe strich lautlos über junge Fichten und den schneebedeckten Waldboden. Nur seinen eigenen Atem hörte Wallner. Er rief nach Nissl, bekam jedoch keine Antwort. Dort oben, vor einem vertrauten Sternbild, spannten sich die schwarzen Seile. Wie weit oben mochten sie sein? Zehn bis fünfzehn Meter, schätzte Wallner. Wenn Nissl noch lebte, war er vermutlich ohnmächtig. Der Schnee hatte seinen Aufprall vielleicht gedämpft, vielleicht war er auch auf einen der Jungbäume gefallen. Wallner hatte von der Gondel aus nichts erkennen können. Nur schwarz war es gewesen, mit helleren Sprenkeln, wo das Mondlicht bis zum Schnee durchdrang.
    Wallner hatte sich den Baumstumpf gemerkt, um den herum der Fußweg eine Kehre machte. Die Stelle lag in freierem Gelände neben dem Wald. Wenn er den Fußweg hinaufging und an

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