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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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irgendwo rumgetrieben hatte und dann einen brutalen Mord an –
    Wie ein überlasteter Computer setzte ihr Verstand mitten im Gedanken aus, und sie sah die Häuser vorbeifliegen, eine Tankstelle, einen Supermarkt. Alles war während der Gebetszeit geschlossen. Und sie fing wieder an zu beten. Bitte Gott, bitte Gott …
    Sie gelangten ins Stadtzentrum, fuhren durch eine Einbahnstraße. Die Gebäude waren groß und kastenförmig, wie überdimensionierte graue Legosteine, die ein Kind auf dem Boden liegen gelassen hat. Rechter Hand war ein kleines Einkaufszentrum, ein paar kümmerliche Palmen, zwei Männer, jeder in weißem Gewand mit passendem Scheitelkäppchen, die versuchten, die Straße zu überqueren. Sie wusste, dass Eric in Gefahr war. Er spazierte bestimmt nicht in der Stadt herum. Er versteckte sich nicht irgendwo. Schrille Alarmglocken gellten ihr durch den ganzen Körper. Sie kamen an einem Hardee’s und einem Kentucky Fried Chicken vorbei, beide Filialen im selben Gebäude, und sie verspürte jähes Heimweh, obwohl sie in den Staaten eigentlich nie in Schnellrestaurants aß. Sie blickte zu Nayir hinüber. Er schien in Gedanken versunken, und sie fragte sich, ob er überlegte, sie doch zur Polizei zu bringen. Aber eigentlich glaubte sie das nicht. Sein Schweigen hatte etwas Starkes und Verlässliches und Beschützendes an sich.
    »Möchten Sie beten?«, fragte sie ihn.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich werde es später tun.«
    »Was ich über die Polizei gesagt habe, tut mir leid«, sagte sie. »Ich weiß ja, dass Ihre Freundin bei der Polizei arbeitet.«
    »Sie haben Grund dazu«, sagte er. »Sie wissen nicht, was sie mit Ihnen machen werden, und wenn die Polizisten hier dafür bekannt sind, verrückte Dinge zu tun, haben Sie keinen Grund, ihnen zu vertrauen. Das ist deren Schuld, nicht Ihre.«
    »Es tut mir trotzdem leid. Es sind bestimmt nicht alle schlecht.«
    »Nein, nicht alle«, erwiderte er.
    Fünfzehn Minuten später war das Mittagsgebet zu Ende. Sie fuhren noch immer durch die Stadt, die einfach nicht enden wollte. Männer kamen aus einer Moschee geströmt. Das Quietschen und Scheppern der Ladengitter, die wieder hochgeschoben wurden, hallte durch die Straßen. Auf einer Seite drängten sich Menschen vor einem Gemüseladen. Alle Kunden waren Männer, die gerade aus der Moschee gekommen waren, überwiegend in weißen oder beigefarbenen Gewändern, vereinzelte in westlicher Kleidung.
    Sie bogen auf einen breiten Boulevard und gelangten zu einem Kreisverkehr, der von gedrungenen Palmen umringt war. In der Mitte stand hinter einem Wellblechzaun ein als Palme getarnter Handymast.
    Gebäude glitten vorbei, Mietshäuser, die ganz neu aussahen. Eines hatte eine Backsteinfassade und erinnerte verblüffend an eine europäische Burg mit großen und kleinen Türmen und seltsam geformten Fenstern. Miriam musste an die Burg in Disneyland denken, was erneut Sehnsüchte nach daheim auslöste.
    Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis sie in eine stille Seitenstraße bogen. Rechts und links erstreckten sich hohe Steinmauern, die alle fünfzehn Meter von Toreinfahrten durchbrochen wurden. In ihr regte sich die schwache Hoffnung, dass Nayir sie in eines dieser großen, ruhigen Häuser bringen würde, die sie flüchtig durch die Tore hindurch erblickte. Dort könnte sie sich sicher fühlen, vor der Welt geschützt. Aber sie fuhren weiter, kamen in eine andere Gegend und hielten schließlich am Ende einer Sackgasse.
    Vor ihnen stand eine große Villa im Stil eines italienischen Palazzos, mit einer Veranda, die sich über die gesamte Front erstreckte. Darüber erhob sich ein Bogengang, der von wuchtigen griechischen Säulen getragen wurde. Bougainvilleen hingen über die Balustrade wie Teppiche, die ein Dienstmädchen dort vergessen hatte. Etliche Glastüren öffneten sich auf die Veranda. Im schimmernden Sonnenlicht leuchtete das gesamte Haus warm und sandfarben. Als sie sich dem Vordereingang näherten, wurde klar, dass das Haus trotz des prachtvollen ersten Eindrucks doch nicht so groß war, wie es aussah.
    »Ist das Ihr Haus?«, fragte sie.
    »Es gehört meinem Onkel«, sagte er.
    »Wohnen Sie hier?«
    »Nein, ich wohne auf einem Boot.«
    »Oh«, sagte sie. »Wo leben denn Ihre Eltern?«
    »Die hab ich nie kennengelernt«, sagte er.
    Er öffnete die Tür und führte sie hinein. Das Innere war kühl und wohlriechend. In der Diele stand eine Topfpflanze und sie sah sehr viel gesünder aus als jede, die

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