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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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würfeln.
    »Aber pass auf, dass du dein neues Kleid nicht bekleckerst«, sagte sie.
    Fünfzehn Minuten später kam Ayman herein, um zu sehen, wie weit sie waren. Donia bedeckte rasch ihr Gesicht. »Alle haben Hunger«, sagte er.
    »Ist Nayir schon da?«, fragte Katya.
    »Ja, der sitzt im Salon.« Er lächelte. »Du hast uns nicht gesagt, wie groß er ist. Jetzt versteh ich, wieso du so viel zu essen gekauft hast.«
    Katya gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Mach dich nicht über mich lustig. Und bring ihn bloß nicht in Verlegenheit. Wie benimmt sich mein Vater?«
    »Alles bestens«, sagte Ayman und wurde ernst. »Ehrlich!«
    Das Essen war fertig, und Ayman bestand darauf, es selbst in den majlis zu tragen. Er lud Salat, Fleisch und Reis auf ein großes Tablett, das er mit einer Hand trug, und griff sich mit der anderen ein weiteres Tablett mit Beilagen.
    »Ich helf dir«, sagte Katya.
    »Nein.« Ayman betrachtete sie ruhig. »Ich mach das schon.«
    Sie starrte ihn an und fühlte sich plötzlich ohnmächtig und nervös. Donia beobachtete sie. »Gut«, sagte Katya. »Dann bring ich später das Dessert.«
    Ayman verließ rasch den Raum.
    Die Frauen aßen am Küchentisch. Donia bemühte sich, Konversation zu machen, vielleicht weil sie spürte, wie angespannt Katya war. Dieses eine Mal war Katya froh, dass das Gespräch keine große Aufmerksamkeit verlangte. So konnte sie nebenbei getrost die Wunde pflegen, die sich in ihrem Herzen auftat. Ihr Vater hätte ihr sagen müssen, dass er noch weitere Gäste einladen würde. Sein Schweigen war hinterlistig gewesen. Wenn sie allein gewesen wäre, hätte sie sich zu den Männern im Salon gesellt, auch wenn ihm das nicht passte. Nayir war schließlich ihr Bekannter. So jedoch wäre es unhöflich gewesen, Donia und die Mädchen allein in der Küche zu lassen. Sie dachte an den armen Nayir, der sich wahrscheinlich redliche Mühe gab, bei ihrem Vater – und dem Freund ihres Vaters – einen guten Eindruck zu machen, indem er sich durch ein Essen mit Fremden quälte, wo er doch erwartet hatte, Katya zu sehen.
    Noch während des Essens kam ihr auf einmal der Gedanke, dass es unhöflich von ihr wäre, Nayir nicht wenigstens kurz zu begrüßen. Sie stand vom Tisch auf, richtete ihr Kopftuch und sagte, sie müsse zur Toilette. Als sie durch den Flur schlich, hörte sie Abu-Walids tiefe, sonore Stimme. Sie verharrte vor der Tür zum majlis und sammelte Mut, um hineinzugehen. Und das Abendessen der Männer zu unterbrechen. Und Nayirs verlegenen Blick zu sehen. Und sich Abu-Walids tadelnde Blicke einzufangen. Ihr Vater würde sie wahrscheinlich bitten, Salz zu holen oder Servietten oder sonst irgendwas, nur damit sie wieder ging. Der Gedanke daran machte sie wütend und bestärkte sie erneut in ihrem Vorhaben, aber jedes Mal, wenn sie nach der Klinke fasste, zog sie die Hand wieder zurück. Warum benehme ich mich wie ein Kind? Sie musste Nayir begrüßen – sie hatte ihn schließlich eingeladen! Das Ganze war ihre Idee gewesen. Aber sie brachte es nicht fertig. Sie ging zurück in die Küche, setzte sich an den Tisch und aß mit einem verkrampften Lächeln weiter.
    Nach dem Essen kam ihr Vater in die Küche. Donia bedeckte hastig wieder ihr Gesicht, und Abu begrüßte sie und die Kinder herzlich.
    Katya sprang auf, um den Kuchen aus dem Kühlschrank zu holen, aber Abu nahm ihn ihr aus den Händen und bestand barsch darauf, ihn selbst zu servieren. »Bleib du hier bei Donia. Wir kommen drüben prima zurecht.« Und mit diesen Worten war er zur Tür hinaus und ließ Katya mit einem Berg schmutzigem Geschirr zurück. Wenigstens bin ich nicht allein, dachte sie.
    Fast zwei Stunden später kam Abu wieder, um Bescheid zu sagen, dass Abu-Walid nach Hause wolle.
    »Was ist mit Nayir?«, fragte Katya.
    »Der ist noch da«, sagte ihr Vater.
    Donia schien froh darüber, endlich gehen zu können. Die Mädchen waren müde und mussten am nächsten Morgen zur Schule. Nachdem sie alle mit einer Umarmung verabschiedet hatte, schaute Katya an sich hinunter und hätte am liebsten losgeheult. Sie hatte sich schön gemacht, wozu?
    Aber sie würde sich nicht davon unterkriegen lassen. Sie setzte Wasser auf – obwohl sie wusste, dass die Männer bereits Tee getrunken hatten – und anschließend trug sie ein mit Teekanne und Tassen beladenes Tablett zum Salon. Auf dem Weg dahin kam sie an Aymans Zimmertür vorbei und hörte entsetzt, dass bei ihm der Fernseher lief. Das Gespräch im majlis musste

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