Totenwache - Thriller
glücklich sein würden, Sarah - weil du nämlich an dir selbst zerbrechen würdest. Dir würde es genau so ergehen wie dieser Stadt. Du würdest innerlich verbrennen und eines Tages einfach zusammenkrachen. Wie oft hast du eigentlich schon bei einem dieser Morde den Lockvogel gespielt?«
»Nicht öfter als nötig.«
» Nötig ? Nötig wozu? Damit ich weiterleben kann? Damit du deine glückliche Familie behalten kannst? Wie heißt es in der Bibel? ›Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber Schaden an seiner Seele nimmt.‹ Kannst du dich an den Spruch noch erinnern?«
»Zuerst retten wir mal dein Leben, Riley«, sagte Sarah. »Über meine Seele kann ich mir später noch Gedanken machen.«
»Komisch. Ich mache mir unentwegt Gedanken über meine Seele - so ist das nun mal, wenn man weiß, dass man bald sterben wird.«
»Du solltest lieber wieder an die Zukunft denken.«
»Meine Zukunft ist der Tod - und das gilt für uns alle. Und was nun, Sarah? Weshalb sind wir hier in der Küche?
Was erwartet Santangelo von dir? Sollst du mich etwa umstimmen? Sollst du mich auf eure Seite ziehen? Hat er uns deshalb zehn Minuten Zeit eingeräumt?«
Sarah zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und nahm Riley gegenüber Platz. »Nein, ganz so einfach ist das nicht. Ich bin nämlich damals nicht an diese Leute herangetreten, sondern die an mich. Und weißt du warum? Klar, mein Aussehen dürfte eine gewisse Rolle gespielt haben. Und dass ich ausgebildete OP-Schwester bin, hat gewiss auch nicht geschadet. Doch vor allem wussten die, dass ich ein Motiv habe, mit ihnen zu kooperieren. Die wussten nämlich ganz genau, wie es um dich steht, Riley. Die wissen einfach alles - und die arbeiten unglaublich gründlich.«
»Aber du hättest doch auch nein sagen können.«
»Wirklich? Erinnerst du dich zufällig an die reiche Frau aus Sewickley, die letzte Woche ertrunken ist - wie hieß die noch gleich? Ach ja, Heybroek, glaube ich.«
»Ja«, sagte Riley. »Ich habe sogar bei ihrer Obduktion assistiert.«
»Seltsam, oder? Eine Frau, die im Rollstuhl sitzt und in ihren eigenen Swimmingpool stürzt? Wie konnte ihr das bloß passieren? Aber sie ist natürlich nicht ganz zufällig in den Pool gefallen, Riley. Da hat jemand nachgeholfen - aber das lässt sich auf dem Obduktionstisch natürlich nicht nachweisen. Willst du wissen, warum sie wirklich gestorben ist? Sie hat Julian Zohars Offerte abgelehnt. Sie war über Zohars Machenschaften im Bilde. Was der wiederum unter gar keinen Umständen dulden konnte. Also musste sie einen ›Unfall‹ haben. Verstehst du? So springen Zohar und seine Leute mit Menschen um, die nicht mit ihnen kooperieren.«
»Du hättest dich doch anfangs zum Schein darauf einlassen und später zur Polizei gehen können.«
»Ja, das hätte ich; aber das wollte ich nicht. Sie wussten nämlich ganz genau über mich Bescheid. Sie haben mir angeboten, dein Leben zu retten - ohne dass du selbst je etwas über die Hintergründe erfährst -, und ich bin darauf eingegangen. Ich wollte ja sagen.« Sarah beugte sich über den Tisch, nahm die Hände ihrer Schwester und sah ihr tief in die Augen. »Aber um mich geht es hier gar nicht, Riley, sondern um dich. Du kannst nämlich nicht nein sagen.«
Riley machte sich mit einem Ruck von Sarah los. »Was willst du damit sagen? Dass deine Freunde mir neue Nieren anbieten und mich umbringen, falls ich das Angebot ausschlage? Soll das ein Witz sein, Sarah? Ich muss ohnehin bald sterben. Auf ein paar Monate mehr oder weniger kommt es da auch nicht mehr an.«
»Nein, so einfach ist das nicht. Zohar bietet dir nicht nur neue Nieren an, er hat auch einen Job für dich.«
Riley fiel die Kinnlade herunter.
»Und zwar wegen Lassiter«, sagte Sarah. »Der Mann ist ein Vollidiot. Er hat dich überhaupt erst auf unsere Spur gebracht. Das heißt, der Mann ist eine wandelnde Zeitbombe. Zohar braucht aber in der Rechtsmedizin unbedingt jemanden, der mit ihm kooperiert, Riley. Das heißt, die suchen jemanden, der Lassiter ersetzen kann.«
»Und was wird dann aus Lassiter?«
Sarah zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Hat der Mann zufällig einen Pool?«
»Ah, verstehe«, sagte Riley. »Deine Freunde beschaffen mir also neue Nieren, damit ich erpressbar bin. Und dann arbeite ich für den Rest meines Lebens in der Rechtsmedizin und sorge dafür, dass gewisse Anomalien nicht weiter auffallen und dass vorsätzliche Morde als Unfälle durchgehen. Bist du verrückt,
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