Totenwache - Thriller
großen Stahlhütten und die Glasfabriken den Geist aufgegeben haben.«
»Riley.«
»Wie bitte?«
»Wir haben beide promoviert. Da müssen wir uns doch nicht mit dem Doktortitel ansprechen. Reicht es nicht, wenn wir einfach ›Riley‹ und ›Nick‹ sagen?«
Nick senkte zustimmend den Kopf. »Ich nehme mal an, Sie sind nicht extra aus Pittsburgh hergekommen, um meinen Auftritt vor den Zweitklässlern zu kommentieren. Was haben Sie denn für mich?«
»Wenn Sie den Tisch dort drüben mal frei machen, zeige ich es Ihnen.« Sie trat mit dem Koffer an den Tisch.
»Augenblick«, sagte Nick und bugsierte vorsichtig ein Glasterrarium beiseite. In dem Behälter befand sich eine einzelne schwarze Spinne, die sich wie ein Löwe auf die Hinterbeine stellte.
»Was ist das denn für ein Ungeheuer?«
»Eine Atrax robustus - eine Trichternetzspinne. Eine der beiden gefährlichsten Spinnenarten der Welt. In Australien hat sie schon dreizehn Menschen getötet.«
Sie sah ihn fragend an.
Er zuckte mit die Achseln. »Nur damit Sie nicht auf die Idee kommen, das Terrarium umzukippen.«
»Danke für den Hinweis.« Riley beäugte die Spinne noch einmal mit einem skeptischen Blick. Dann stellte sie den Koffer auf den Tisch und fing an, mehrere Behälter auszupacken - einige kleinere aus Glas und ein paar größere aus Plastik. Einige der Behältnisse hatten Schraubdeckel, andere Schnappverschlüsse mit einem kleinen Loch in der Mitte. Nick inspizierte sorgfältig den Inhalt der einzelnen Gefäße. Am Boden der Glaszylinder lag jeweils ein Haufen cremeweißer Larven unterschiedlicher Größe und Form. Einen Moment später bog Nick den Deckel von einem der Plastikbehälter vorsichtig nach oben und blickte hinein.
Der Boden war mit einer braun-weißen Vermiculitschicht bedeckt. Darauf lag ein Stück Aluminiumfolie, das an den Seiten hochgebogen und oben wie ein kleines Lunchpaket eingerollt war. Nick brauchte es gar nicht erst zu öffnen. Ihm war ohnehin klar, dass sich in dem Säckchen nur ein feuchtes Blatt Küchenkrepp und ein etwa handtellergroßes Stück Leber befinden konnten, an dem sich eine Handvoll Maden labten …
»Erstklassige Arbeit«, sagte er. »Und wer hat die kleinen Zappelmänner gesammelt?«
»Ich.«
»Echt? Dann scheinen Sie ja an Ihrem Institut richtig was zu lernen. Sie müssten mal sehen, was für einen Müll manche Rechtsmediziner und Ermittler hier abliefern: Proben ohne Etikett, lecke Gläser, Behälter voll toter Larven, weil kein Loch im Deckel ist, ausgetrocknetes Untersuchungsmaterial … Und dann heißt es: ›Können Sie das schnell mal für uns analysieren?‹«
Nick hielt einen kleinen Glasbehälter gegen das Licht. Am Boden des mit Äthanol gefüllten Zylinders lagen fünf, sechs Maden. Das Gefäß war etikettiert, und ein zweites Etikett ragte oben aus der Flüssigkeit.
»Sogar doppelt etikettiert«, sagte Nick lächelnd. »Alle Achtung.«
»Außerdem habe ich die Etiketten mit Bleistift beschriftet, damit das Äthanol die Tinte nicht löscht.«
»Danke, dass Sie extra so weit gefahren sind, um mir Ihre Diptera-Sammlung zu zeigen«, sagte Nick und gab Riley den Behälter zurück. »Sonst noch was?«
»Ja«, antwortete Riley und lächelte. »Würden Sie das Material bitte für uns analysieren?«
Nick erwiderte ihr Lächeln. »Für uns? Oder für Sie ?«
Rileys Gesicht wurde plötzlich ernst.
»Das Rechtsmedizinische Institut von Allegheny County ist ein großer Laden«, sagte Nick. »Und die forensische Entomologie dürfte dort mittlerweile auch schon bekannt sein. Wer ist eigentlich euer Fliegendoktor? Wen konsultiert ihr sonst?«
Riley stellte den Glaszylinder zu den übrigen Behältern. »Manchmal Neal Haskell aus Indiana. Gelegentlich aber auch Steve Bullington von der Penn State.«
»Die beiden kenne ich«, sagte Nick. »Gute Leute. Dann erklären Sie mir mal, Dr. Riley: Was veranlasst eine an einem Rechtsmedizinischen Institut tätige Pathologin dazu, abseits der üblichen Kanäle ein entomologisches Gutachten in Auftrag zu geben? Und warum macht sie sich die Mühe, dreißig Kilometer mit dem Auto durch die Gegend zu fahren, um die Proben persönlich abzuliefern? UPS hätte das doch genauso gut erledigen können.«
Riley schwieg.
»Und warum habe ich das untrügliche Gefühl, dass Sie mein Honorar aus eigener Tasche bezahlen und nicht etwa aus dem Budget Ihres Instituts?«
»Gute Fragen«, sagte Riley. »Muss ich Ihnen darauf eine Antwort geben, damit Sie den Auftrag
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