Totenwache - Thriller
Besitz von der Kathedrale ergriffen, dass die Flut den heiligen Boden reingewaschen hatte.
Es dauerte über eine Stunde, bis der Strom allmählich versiegte, bis das Wasser in irgendwelchen Spalten und Ritzen versickerte. Santangelo lag reglos da, verlangsamte seinen Puls und kontrollierte seine Atmung, wie er es schon
tausendmal auf dem Schießstand getan hatte, wenn er auf jenen Sekundenbruchteil zwischen zwei Herzschlägen gewartet und dann auf die Silhouette eines - dreihundert Meter entfernten - menschlichen Kopfes gefeuert hatte. Als das sinkende Wasser ihn schließlich wieder sanft auf dem Steinfußboden absetzte, schaltete er die Lampe an, tastete mit den Händen umher, konnte aber nichts entdecken. Dann drehte er sich auf den Bauch und kroch in Richtung Höhlenausgang.
Eine Stunde später stand Cruz Santangelo draußen vor der Höhle, öffnete den Reißverschluss seines Ganzkörperanzugs, zog die Arme aus den Ärmeln und ließ das Oberteil bis zur Taille herunterfallen. Er löste die Steigklemmen von seinem Nylonseil und warf sie in eine Sporttasche. Dann nahm er ein Handtuch heraus und trocknete sich ab. Als er zum Himmel hinaufblickte, sah er weiter südlich eine Gewitterfront, die Richtung West Virginia zog.
Hinter ihm kam knirschend ein mit Schmutz bespritzter Geländewagen zum Stehen. Die Fenster wurden heruntergelassen, und drei verängstigte Gesichter blickten ihm entgegen.
»Wir suchen drei Männer«, sagten die Frauen. »Haben Sie sie zufällig gesehen? Können Sie uns irgendwie helfen?«
»Wir sind zusammen runtergegangen«, erwiderte Santangelo achselzuckend. »Dann haben wir uns getrennt.«
Der Wagen fuhr langsam weiter.
Dann piepste in der Sporttasche das Handy - eine SMS. Als er nachschaute, las er: ZOHAR: DRINGLICH - DONNERSTAG 23.00 Uhr: FOX CHAPEL YACHT CLUB.
5. Kapitel
Dr. Jack Kaplan saß zusammengesunken auf dem Fahrersitz seines Porsche 911 Turbo und trommelte mit den Fingern gegen das Lenkrad. Aus den beiden 15 -Zoll-Subwoofern wummerte laute Musik. Er beobachtete zwei Streifenwagen, die mit eingeschaltetem Signallicht ungefähr einen halben Block entfernt standen. Die Beamten hatten den Ort des Geschehens bereits mit gelbem Flatterband abgesperrt. Einer von ihnen hielt eine weinende Mutter und ihre Tochter zurück; ein zweiter kniete neben einem Mann, der auf dem Rücken lag, während ein dritter gerade mit der Hand durch das Fenster in einen der schwarz-weißen Streifenwagen griff.
Es war fast zwei Uhr nachts, und Kaplan hatte bis Mitternacht Dienst auf der Unfallstation des UPMC gehabt, aber das Adrenalin pulsierte immer noch wie Flugbenzin durch seinen Körper. Während der vergangenen zwei Stunden war er langsam durch die Stadt gefahren, hatte den Polizeifunk abgehört und auf einen medizinischen Notfall gehofft, der es ihm ersparen würde, nach Hause zu fahren und dort wieder eine schlaflose Nacht zu verbringen.
Er beobachtete ungeduldig die beiden Beamten. »Los, Jungs, macht schon«, murrte Kaplan. »Es wird höchste Zeit.«
Schließlich fing das Funkgerät an zu knacken.
»Unfallstelle abgesichert. Rettungswagen eins kann anrücken.«
Anderthalb Blocks entfernt flammten zwei Scheinwerfer
auf, und ein orange-weißer Rettungswagen fuhr langsam zur Unfallstelle. Auch Kaplan ließ den Motor an, legte einen Gang ein und fuhr los. Sein silberfarbener Porsche und der Krankenwagen trafen gleichzeitig am Ort des Geschehens ein.
Ein Rettungsassistent und zwei Sanitäter suchten hinten im Wagen in diversen Fächern und Schränken die erforderlichen Geräte und Hilfsmittel zusammen: eine leuchtend orangefarbene Fahrtrage mit Haltegurten, eine torpedoförmige Sauerstoffflasche, Erste-Hilfe-Material, einen Notfallkoffer.
Kaplan rannte von seinem Auto zum Unglücksort, stieg rasch über das Absperrband und hielt seinen Arztausweis wie einen Schutzschild vor sich.
»Dr. Jack Kaplan«, sagte er zu dem am Boden knienden Beamten. »Ich bin Unfallchirurg am UPMC Presbyterian Hospital. Was ist passiert?«
Der Beamte inspizierte den Ausweis und nickte dann. »Ein junger Mann, achtundzwanzig Jahre, hellhäutig«, begann er. »Wohnhaft in Pittsburgh …«
»Ich brauche nicht seine Lebensgeschichte«, sagte Kaplan. »Ich möchte bloß wissen, warum er hier in einer riesigen Blutlache liegt.«
»Mehrere Stichwunden im Brustbereich.«
»Puls?« Jack öffnete die Arzttasche und streifte sich ein Paar grünblaue Latexhandschuhe über.
»Ja - glaube ich zumindest.«
» Glauben
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