Totenwache - Thriller
Geld breit gestreut - hier ein bisschen, da ein bisschen. Sie wollen möglichst jedes Risiko vermeiden. Aber wenn man sich sein Verhalten von der Angst diktieren lässt, das ist doch kein Leben, Dr.
McKay. Das Leben ist ein Spiel, und wer dabei mitmachen will, muss schon mal was riskieren. Dr. Lassiter ist ein Visionär, er kann in die Zukunft blicken - unsere Zukunft. Deshalb hat er sein ganzes Geld auf PharmaGen gesetzt, und das war genau die richtige Entscheidung.«
»Aber wer hohe Risiken eingeht, kann auch viel verlieren.«
Auf Truetts Gesicht erschien ein Lächeln. »Mein Job ist es, genau das zu verhindern.«
Eine groß gewachsene junge Frau kam die Treppe herauf. Es war die Lady in dem roten Kleid, die die beiden schon vom Wasser aus gesehen hatten. Nick beobachtete sie. Die junge Frau, die sich geschmeidig wie eine Katze bewegte, kuschelte sich an Truett, legte ihm die Arme um den Hals und machte sich mit der Nase an seinem Ohr zu schaffen - doch er schien sie gar nicht zu bemerken. Auch eine frühe Investorin, dachte Nick, aber ob ihre Rechnung aufgeht, steht noch in den Sternen.
»Da wir gerade von Risiken sprechen«, sagte Nick. »Was ist eigentlich mit dem Keystone-Club?«
»Was soll damit sein?«
»Sie bitten die Bevölkerung darum, Ihnen DNS-Profile zu überlassen - dabei weiß niemand genau, wie viele Informationen in einem DNS-Molekül gespeichert sind. Einen Teil davon können wir heute bereits lesen. Aber vielleicht gibt es schon morgen die Möglichkeit, eine Fülle weiterer Informationen aus der DNS eines Menschen abzuleiten.«
»Genau das hoffen wir ja. Das würde der Forschung einen immensen Auftrieb geben.«
»Es bedeutet aber auch, dass die Leute nicht wissen, was genau sie Ihnen überlassen. So ein Profil ist ja eine Art Blankoscheck.«
»Nur dass wir natürlich keinen Zugriff auf das Privatkonto
der Leute haben. Sie dürfen eins nicht vergessen, Dr. Polchak, die DNS-Spenden, die wir erhalten, sind völlig anonym. Niemand weiß, wer der Spender ist.«
»Ja, PharmaGen sichert absolute Vertraulichkeit zu. Das ist ein großes Versprechen, Mr. Truett.«
»Wie Sie bereits sehr richtig festgestellt haben, basiert das ganze Projekt auf Vertrauen.«
Nick verschränkte die Arme gemächlich vor dem Körper. »Das heißt, ich gestatte Ihnen, nach Belieben auf mein Erbgut zuzugreifen, und im Gegenzug erhalte ich von Ihnen die Zusicherung, dass meine Anonymität gewahrt bleibt - das ist doch der Deal, nicht wahr? Ob sich die Spender damit auf Dauer zufriedengeben?«
Truett begann zu lachen. Er zog die junge Frau in dem roten Kleid an sich und gab ihr einen Kuss, als ob er gerade erst bemerkt hätte, dass sie vor ihm stand. Sie war lediglich eine Komparsin, ein Ausstattungsstück - ein Mittel der Selbstdarstellung. Doch durch das Interesse, das er ihr jetzt bekundete, signalisierte Truett zugleich, dass er das Gespräch nicht weiter zu vertiefen gedachte. Er versprühte den magischen Feenstaub des Vergessens und versuchte das Schiff wieder in sichere Gewässer zu steuern.
»Ich verstehe ja, dass Sie zwei unser Projekt mit einer gewissen Skepsis betrachten«, sagte er. »Tatsächlich muss ich immer wieder feststellen, dass gerade gebildete Leute solche Vorbehalte äußern. Deshalb hat PharmaGen gleich nach der Unternehmensgründung einen Ethikrat eingesetzt, der uns in solch heiklen Fragen zur Seite steht.«
»Sie selbst haben einen Ethikrat einberufen? Ist das nicht so, als würde man den Senat in Washington über eine Verkürzung der Wahlperiode abstimmen lassen?«
»Nein, überhaupt nicht. Die Leute, die uns beraten, sind professionelle Bioethiker, die in ihrer Disziplin ebenso versiert
wie angesehen sind. Sie sind weder bei PharmaGen angestellt, noch erhalten sie von uns ein Honorar.«
»Und wer sitzt in diesem Gremium?«
»Zum Beispiel Dr. Ian Paulos - eines unserer Gründungsmitglieder. Dr. Paulos ist Professor für Ethik an der Trinity Episcopal School drüben in Ambridge. Er ist von Anfang an mit dabei und berät uns in allen Fragen, die den Identitätsschutz betreffen. Wenn Sie dieses Thema vertiefen möchten, sollten Sie sich vielleicht mal mit ihm unterhalten.«
»Danke«, sagte Nick. »Könnte sein, dass ich darauf zurückkomme.«
Dann war plötzlich am südlichen Ende des Point Park ein lauter Böllerschuss zu hören, auf den ein ebenso lautes Echo folgte. Drei Sekunden später erschien am Himmel ein roter Strahlenkranz, der sich in einen silbernen Glitzerregen auflöste.
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