Totenwache
sagte seine Frau, aber er fühlte sich unpässlich und musste sich ausruhen, meinte sie. Andere hatten den Verdacht, dass bestimmte direkt gesendete Sportveranstaltungen ihn lockten. Hartman war sich zu schade, um solche Vermutungen zu kommentieren. Er krempelte die Ärmel hoch und arbeitete.
Arvidsson war die Ermittlungsunterlagen, die Maria Wern in der letzten Woche erarbeitet hatte, systematisch durchgegangen, hatte die Personen, die sie vernommen hatte, zu einem neuen Verhör vorgeladen und hatte ihre Protokolle überprüft. Gemeinsam hatten sie die vierundzwanzig Stunden vor Marias Verschwinden rekonstruiert. Hartman hatte mehrere Stunden mit Krister Wern zusammengesessen, der immer wieder versuchte, sich an die Begebenheiten der letzten Tage zu erinnern. Arvidsson hatte darum gebeten, sich nicht mit Maria Werns Ehemann befassen zu müssen, und Kriminalinspektor Hartman hatte verstanden, warum.
Krister Wern war zutiefst zerknirscht gewesen und hatte sich allerlei Vorwürfe gemacht. In allen Einzelheiten legte er Rechenschaft über Geschehnisse und Umstände ab, die Hartman mehrmals veranlassten, die Augenbrauen hochzuziehen. Gleichzeitig war er dankbar für die Möglichkeit, einen Teil der Aussagen unter den Tisch fallen zu lassen, ehe sie im Computer aktenkundig wurden. Um Marias willen und besonders im Hinblick auf Ragnarsson und den Groll, den dieser Frauen im Allgemeinen und Maria Wern im Besonderen gegenüber hegte. Krister Wern hatte offensichtlich eine kleine Affäre gehabt, einen kleinen Seitensprung riskiert, wie er es ausdrückte. Nichts Ernstes, nur einen kleinen Flirt. Das war schlimm. Verdammt unnötig. Das Schlimmste daran war eigentlich nicht das, was tatsächlich passiert war, denn da war im Grunde nicht viel passiert. In nicht ganz nüchternem Zustand war er bei der Abschlussfeier für einen Kursus mit einem Mädchen, das Ninni Holm hieß, in einer Besenkammer gelandet. Sie hatten sich gestreichelt und betatscht. Sie war schrecklich kitzelig. Was wohl dazu beitrug, dass nichts Ungehöriges passierte. Viel schlimmer wäre es gekommen, wenn Maria davon Wind bekommen hätte. Wenn sie von jemandem erfahren hätte, dass sie beide gleichzeitig in der Besenkammer gewesen waren und ihre Schlüsse daraus gezogen hätte. Krister beteuerte, dass es das erste Mal gewesen war und nie wieder vorkommen würde.
»In einer Besenkammer?«
»Weder dort noch sonst wo. Kann sie mich wegen böswilliger Gerüchte verlassen haben?«
»Was denkst du selbst denn?«
»Ich weiß es nicht.«
In seiner Verzweiflung hatte Krister Karin und Marias Eltern angerufen. Deren Unruhe hatte seine Reumütigkeit noch mehr verstärkt.
»Wir kommen alle mal in Versuchung, aber man muss sich doch über die Konsequenzen im Klaren sein. Maria ist eine wunderbare Frau. Pass gut auf sie auf!« Hartman hatte ihm ein paar Tipps gegeben und war sich unendlich alt vorgekommen. Nie hätte er als junger Polizist ahnen können, dass Sex- und Lebenskundeunterricht zu den Aufgaben eines Polizisten gehörten. Aber mit der Zeit hatte sich gezeigt, dass die Arbeit, Menschen auf den richtigen Weg zu geleiten, eigentlich nie aufhörte. Angefangen damit, dass man ausgesetzte Kleinkinder mit Brei fütterte, bis das Jugendamt kam und sich ihrer annahm, über die gemeinsame Trauer mit alten Damen über totgefahrene Möpse, bis hin zur rein physischen Gewalt gegenüber hitzköpfigen Übeltätern. Jeder Tag brachte seine eigene Belastung mit sich, und an diesem Freitag war sie besonders hoch.
»Ich will nach Södertälje runterfahren. Es kann leichter sein, an das richtige Material zu kommen, wenn man vor Ort ist. SWEDINT hat eine Reihe von Erinnerungsbüchern und Videofilmen über die Jahre der Operation UNICYP archiviert. Da muss es doch einiges an Papieren durchzublättern geben«, erklärte Arvidsson.
»Was willst du denn rausfinden?«
»Wie viele Männer aus dieser Stadt dabei gewesen sind. Mit wem Odd Molin und Clarence Haag zusammen waren. Ich habe die Fotos, die wir bei Clarence ausgeliehen haben, durchgesehen, aber das hat mich nicht weitergebracht. Clarence kann sehr wohl solche entfernt haben, die andere nicht sehen sollten. Ich glaube, es dauert zu lange, wenn SWEDINT suchen und uns das Material schicken soll. Wie war das übrigens mit dem Personal der Goldenen Traube, haben die in Odd oder Mårten den Mann mit der Mütze erkannt?«
»Nein, das hat nichts ergeben. Wir müssen wohl nach einer weiteren Person suchen. Fahr du nach
Weitere Kostenlose Bücher