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Totenwall

Titel: Totenwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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zwanzig.»
    «So wie die anderen?», fragte Sören zögerlich.
    Der Polizeiarzt nickte. «Dunkle Haut, nackt, Kopf ab. Genauer untersucht habe ich sie noch nicht. Ich will erst auf den Photographen warten. Der einzige Unterschied scheint mir der zu sein, dass man den Körper diesmal nicht vergraben hat. Wenn Sie den Leichnam in Augenschein nehmen möchten?» Doktor Molch machte eine auffordernde Geste, und Sören folgte ihm. «So, wie ich das werte, liegt sie noch keine zwölf Stunden hier. Zum Todeszeitpunkt kann ich erst etwas sagen, wenn ich sie auf dem Tisch hatte.»
    Sören schauderte. Der geschundene Körper der Frau wirkte wie eine leere Hülle, was er auch war. Der Umstand, dass der Kopf fehlte, entstellte ihn völlig. Beine, Arme, der Leib trotz seiner dunklen Farbe, alles glich einer wachsförmigen Masse. Keine Frage, das Verbrechen war nicht an diesem Ort geschehen. Man hatte die Tote hier abgelegt. Die Hände der Frau wirkten entspannt. Je länger er sie betrachtete, umso natürlicher erschien ihm der Anblick. Doch dann entdeckte er etwas, das auch der Polizeiarzt längst gesehen haben musste. Ein winziger Makel nur … Seine Kehle zog sich zusammen, es überkam ihn schlagartig. Bevor er etwas sagen konnte, krampfte sich sein Magen zusammen. Ein einziger Schritt zur Seite war Sören noch möglich, dann musste er sich erbrechen.
    «Das geht fast allen so.» Molch reichte ihm diskret ein Taschentuch.
    Sören tupfte sich den Mund ab. «Das ist es nicht», stammelte er. «Ich kenne die Frau.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 12
    B ischop, langsam werden Sie mir unheimlich.» Heinrich Andresen rang sich ein Lächeln ab. «Man könnte glatt auf die Idee kommen, dass Sie irgendwie in die Sache verwickelt sind.»
    «Bin ich das nicht? Man spielt mir die Beute aus einem Bankraub zu … bei meinen Recherchen begegne ich einer unbekannten Schönheit, die, wie sich später herausstellt, die Geliebte des Juniorchefs der Bank ist und die ich, Zufall oder nicht, an genau dem Ort wiedertreffe, an dem mir auch eine der ermordeten Frauen begegnet. Wenn es jetzt nicht bei Ihnen klingelt, dann können Sie ja mich verhaften.»
    «Sind Sie sich ganz sicher, was die Frau betrifft?»
    «Absolut sicher. Ich hatte lange genug Gelegenheit, ihren Körper zu studieren, schließlich waren wir nackt. Aber wirklich erkannt habe ich sie an den zwei fehlenden Zehen.»
    «Wie? Nackt?»
    «Nackt eben», erwiderte Sören, den Andresens Stutzigkeit langsam aufregte. «Sie wurde mir mit Namen Heidi vorgestellt. Ihr Familienname ist Sello, glaube ich. Und sie war das Modell von einem Maler, dessen Name mir gerade nicht einfällt. Meine Frau wird es wissen, sie kannte ihn. Aber ich erreiche Mathilda nicht. Sie ist weder zu Hause noch im Konzertsaal.» Sören überlegte, wie man Liane Kronau am besten erreichen konnte, aber er wusste nicht, wo sie sich tagsüber aufhielt, und einen Telephonanschluss besaß sie nicht.
    «Versuchen Sie sich zu konzentrieren.»
    «Das tue ich ja. Sie hatte noch eine Freundin bei sich, die Gerda hieß, aber ihr Nachname fällt mir nicht mehr ein. Ich wusste ja nicht, dass er einmal von Belang sein würde. Das Camp wird von einem Verein betrieben, der sich Sonnenanbeter-Lebensreform e.V. nennt.» An den Namen erinnerte er sich wenigstens. Dieses verdammte Namensgedächtnis. Er wurde wirklich alt.
    «Und da läuft man dann nackt herum?» Heinrich Andresen schüttelte verständnislos den Kopf. «So ganz nackt?»
    «Ja doch. Es war am letzten Sonntag. Ich war in Begleitung meiner Frau und meiner zukünftigen Schwiegertochter. Ihr Name ist Liane Kronau.»
    «Und die waren auch alle nackt? Und Gräfin Rischtschestova war ebenfalls vor Ort – auch nackt, wie ich annehme.» Andresen rollte mit den Augen. «Bischop, wenn die Angelegenheit nicht so ernst wäre, dann würde ich vermuten, dass Sie mich auf die Schippe nehmen – oder bei Ihnen ist der Wahnsinn ausgebrochen.»
    «Nudisten-Camps gibt es inzwischen an vielen Orten. Wenn Sie bislang davon nichts mitbekommen haben, dann sollten Sie sich schleunigst informieren, denn ich denke, das ist für die weitere Arbeit notwendig. Ist es Ihnen schon mal in den Sinn gekommen, dass die bisherigen Mordopfer keine Frauen aus dem Mittelmeerraum oder sonstigen südlichen Gefilden sein könnten, sondern einfach nur einen von der Sonne nahtlos gebräunten Körper hatten?»
    Andresen schien zu merken, dass er den Bogen überspannt hatte. Er nickte nur stumm vor sich hin und ging im

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