Totenzimmer: Thriller (German Edition)
diese Möglichkeit noch nicht. Er ist wirklich ekelerregend mit all seinen Krankheiten! Als ich ihn gebeten habe, Latexhandschuhe anzuziehen, sah ich, wie seine Hände fast augenblicklich anschwollen und zu jucken begannen, was ihn fast wahnsinnig gemacht hat. Und dann diese Schuppen! Wäre er ein Hund, hätte man ihn ohne jede Skrupel eingeschläfert.
Dass diese Schuppen weg mussten, habe ich bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt unserer Zusammenarbeit erkannt. Sie waren die primäre Ursache für seine unbändige Wut und damit einer der Schwachpunkte, die uns letzten Endes zum Verhängnis werden konnten. Larry verstand aber wohl nicht, dass er auch ohne Schuppen ein fetter, hässlicher Mann von geringer Intelligenz war, so dass es weiterhin Menschen geben würde, die Mauern hochzogen, um ihn auf Distanz zu halten.
Er hatte im Laufe der Jahre alles nur Erdenkliche gegen die Schuppen unternommen, manches davon hatte auch ein bisschen geholfen, doch all diese Linderungen waren nicht mehr gewesen als ein Tropfen auf einem heißen Stein. Also recherchierte ich in diversen Datenbanken und stieß schließlich auf einen Stoff namens Clofazimin, der ihm vielleicht helfen konnte, das hieß, seine Hautkrankheit lindern und damit – hoffentlich – seine Wut zügeln könnte. Er ging zu seinem Hautarzt und bat um ein Rezept für dieses Mittel, doch der Arzt unterrichtete ihn über die Nebenwirkungen, so dass Larry schließlich den Mut verlor. Ich habe ihn bearbeitet, ihm eingeredet, dass diese Nebenwirkungen nur selten aufträten und er ja jederzeit wieder aufhören könne, wenn es zu schlimm würde. Er versuchte es deshalb noch einmal, dieser Idiot bedrohte seinen Arzt sogar, aber der blieb standhaft und sagte, dass dieses Mittel hierzulande gar keine Zulassung habe und folglich auch nicht beschafft werden könne. Ach, wer’s glaubt, dachte ich und suchte im Internet, wo ich mir schon so viele Spielsachen besorgt hatte. Ganz leicht war es nicht, aber schließlich fand ich es und bestellte es für ihn. Die wirklich heftigen Nebenwirkungen traten bei Larry tatsächlich nicht auf, nur ebendiese gelben Augen, für die ich ihm aber gleich eine erklärende Diagnose mitgegeben hatte: Sollte jemand fragen, musste er nur sagen, er leide unter Morbus Meulengracht, einer ganz ungefährlichen Krankheit, von der sich lediglich die Augen gelb verfärbten. Auf dem Bauch und den Armen entwickelten sich zudem ein paar dunklere Flecken, aber das konnte ja niemand sehen. Auch ein kleiner Punkt am Kinn war zu sehen, der wie eine unschuldige Pigmentveränderung aussah. Irgendwann war dieser Punkt dann auch wieder verschwunden, was ihn deutlich ruhiger machte. Was wir beide nicht wussten, war, dass er eine Visitenkarte bekommen hatte. Sein unablässiger Handschweiß drang in Windeseile durch seine Baumwollhandschuhe, was ich hätte bedenken müssen, schließlich wusste ich, dass auch sein Schweiß mit großer Wahrscheinlichkeit verfärbt sein würde. Daraus hatten sie, wie ich ohnmächtig in der Zeitung lesen musste, den Stoff analysieren können, mit dem Larry seineSchuppen zu behandeln versuchte. Als der Zeitungsartikel über einen leprakranken Täter publiziert wurde, lief Larry fast Amok. Er empfand diesen Text wie einen Spiegel seines Lebens, in dem er immer ein Aussätziger gewesen war: von allen gemieden, isoliert und verabscheut. Als er dann in der Dunkelheit des Munke Mose plötzlich sah, dass die Frau, mit der wir etwas spielen sollten, diese Hexe vom rechtsmedizinischen Institut war, die ihn öffentlich als Aussätzigen bezeichnet hatte, brach ihm unkontrolliert der Schweiß aus, und er verlor die Beherrschung. Dass sie sich selbst auf eine derart simple Weise servierte, kam ihm allem Anschein nach wie ein Geschenk des Himmels vor. Er war sicher, sie erdrosselt zu haben, aber sie war nicht tot, hatte wohl sieben Leben, und als er davon erfuhr, wurde er so wütend, dass er gleich ein neues Mädchen wollte. Für mich war das zu früh, auch wenn ich bereits das perfekte Mädchen im richtigen Alter gefunden hatte. Dummerweise hatte ich Larry aber schon von ihr erzählt. Es musste sein, betonte er, und auch wenn ich das für keine gute Idee hielt, schrak ich davor zurück, mich seiner vulkanischen Wut in den Weg zu stellen. Es wurde eine Riesenschweinerei und war viel zu schnell vorüber, doch selbst das reichte ihm noch nicht. Er kochte noch immer vor Wut. Obwohl ich entschieden dagegen war und lauthals protestierte, bestand er darauf,
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