Totenzimmer: Thriller (German Edition)
inspizieren, insbesondere auch deshalb, weil die dänische Polizei ohnehin den Verdacht hegte, der Täter könne sich in Deutschland aufhalten.
»Die Polizei haben Sie aber zu keinem Zeitpunkt informiert?« Borrmann legte den Kopf zur Seite und musterte mein Gesicht mit noch immer freundlicher Miene.
»Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen. Ich ging ja davon aus, dass die Polizeibehörden im Bilde waren. Wir mischen uns nicht in die Arbeit der Ermittlungsbehörden ein. Das ist ja bekannt. Aber ichhätte das natürlich tun sollen, denn es zeigte sich schließlich, dass Dr. Schöning der Freiburger Polizei natürlich nicht den Tipp gegeben hatte, mit den Kollegen in Odense Kontakt aufzunehmen.« Als keiner von ihnen etwas sagte, fuhr ich fort:
»Als ich das ermordete Mädchen sah, erkannte ich, dass nicht nur die rote Stelle identisch mit derjenigen war, die ich bei Emilie Haundrup gefunden hatte, sondern dass auch das Muster und die Anzahl der Stichverletzungen und die Todesursache mit den Umständen der Morde, die auf Fünen verübt worden sind, übereinstimmten. Doch als ich Dr. Schöning sagte, unsere Mädchen seien von zwei Krankenträgern der Notaufnahme ausspioniert worden, änderte sich sein Verhalten – ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, aber er begann mir Angst zu machen. Er fragte mich, ob ich mit der Polizei gesprochen hätte, aber das hatte ich nicht, weshalb ich mich eilig aufmachte, um nach draußen zu meinem Auto zu kommen.«
»Ihren Wagen haben wir vor der Notaufnahme des St. Christophskrankenhauses gefunden.«
Ich nickte. »Ich bin hier runtergefahren, aber das hätte ich nicht tun sollen, denn mein linker Fuß ist verstaucht. Ich dachte, es würde schon gehen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe Flugangst. Aber während ich bei Dr. Schöning war, wurden die Schmerzen in meinem Fuß unerträglich, und die Schmerzmittel, die ich genommen hatte, wirkten irgendwie nicht mehr. Die Apotheken waren bereits geschlossen, und ich brauchte einen besseren Verband und … ja, wenn ich ehrlich sein soll, wollte ich auch ein stärkeres Schmerzmittel. Wohin sollte ich mich da schon wenden?«
Riedel nickte, ohne seine Augen von mir zu nehmen.
»Aber als ich vor der Notaufnahme geparkt hatte und die Tür öffnete, um auszusteigen, stand da plötzlich Dr. Schöning mit einer Pistole in der Hand. Ich war wie starr vor Schreck, und natürlich hätte ich nicht mit ihm zu seinem Auto gehen sollen, ich meine, dastand ja eine ganze Gruppe Raucher vor dem Eingang. Dr. Schöning hätte es bestimmt nicht gewagt, mich vor deren Augen zu erschießen. Aber ich habe ihm gehorcht, ohne nachzudenken. Er hat mir wirklich eine Wahnsinnsangst eingejagt.« Ich sah die beiden Polizisten an und hoffte inständig, dass meine Worte Sinn ergaben. Sie sagten kein Wort.
»In seinem Auto hat er mir dann Handschellen angelegt und mich gezwungen, ein paar Pillen zu schlucken, so dass ich die Besinnung verloren habe. Ich muss ein paar Minuten geschlafen haben, glaube ich, mir ist irgendwie der Sinn für die Zeit abhanden gekommen; aufgewacht bin ich jedenfalls, als wir schon mitten in einem dunklen Wald waren.«
»Irgendwo im Schwarzwald«, sagte Borrmann. Ich nickte. Und dann erzählte ich ihnen, dass Maximilian Schöning mir, während er darauf wartete, dass die Pillen wirkten, von den Jagden erzählt hatte, an denen unsere beiden Mörder teilgenommen hatten, und dass er auf der Lichtung, als wir am Ziel waren, mit dem Messer auf mich eingestochen hatte, bevor er mir die Handschellen abnahm und mich laufen ließ, während er bis hundert zählte.
»Was zuletzt geschehen ist, weiß ich nicht mehr. Das Ganze war ein Riesenalptraum, ich habe nur versucht, irgendwie zu überleben. Ich glaubte, dass meine einzige Chance darin bestand, mich auf den Weg zu legen, wo er mich finden konnte, um dann mit dem Messer auf ihn einzustechen, wenn ich ihn direkt vor mir hatte.«
»Dem Messer? Was für ein Messer?« Ich hielt die Luft an und starrte sie an, aber sie hielten meinem Blick stand. Ja, welches Messer?
Eines der beiden Obduktionsmesser, die ich selbst aus Dänemark mitgebracht hatte, um Larry Tang Mortensen damit zu quälen und so langsam und schmerzvoll wie nur möglich zu töten.
Mein Hals schnürte sich zusammen, ich brauchte etwas Zeit.
»Könnte ich ein Glas Wasser bekommen?« Es pochte in meinen Schläfen. Mein Kopf war leer. Riedel nahm ein Wasserglas von meinemNachttisch, füllte es am Wasserhahn und reichte es
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