Toter Mann
Ademar.
Der andere antwortete nicht. Er starrte wieder auf das Blatt, als wollte er den Namen kontrollieren. Dann schaute er auf. »Warum schreibst du über Beatrice?«
»Kanntest du sie?«
Lejons Faust schoss vor. Er packte Ademar am Halsausschnitt. »Warum schreibst du über sie?!«
Ademar versuchte etwas zu sagen, aber sein Hals fühlte sich wie zugeschnürt an, und er brachte nur ein Röcheln hervor. Lejon ließ ihn los.
»Warum?! Warum schreibst du ein Buch über sie?!« Ademar röchelte. Er hustete und räusperte sich.
»Sie ist verschwunden«, sagte er.
»Warum schreibst du darüber?«
»Was geht dich das an?«
Wieder schoss Lejons Faust vor. Er schlug Ademar gegen den Hals. Es war noch nicht vorbei. Es würde noch lange nicht vorbei sein. Aber der Schlag berührte ihn nur leicht.
»Warum?!«
»Sie war meine Schwester!«
Die Augen des Mannes schienen sich mit Luft zu füllen. Bliesen sich auf wie ein Ballon.
»Was?! Deine Schwester?! Nein, das kann nicht sein.« »Waru ...«
Ein neuerlicher Schlag ins Gesicht unterbrach ihn.
»Sie hieß nicht Ademar! Beatrice hieß nicht Ademar. Sie hieß Kolland! Beatrice Kolland!«
»Das war der Mädchenname unserer Mutter«, sagte Ademar. »Du lügst!« »Nein!«
Der andere wurde gleichsam ein Stück zurückgestoßen von der Kraft in Ademars Stimme. Plötzlich war die Kraft wieder da.
»Sie wollte nicht den Namen unseres Vaters annehmen und hat sich Beatrice Kolland genannt.«
Der andere starrte ihn an, als sähe er ihn zum ersten Mal, als suchte er nach etwas anderem in seinem Gesicht, nicht ihn, sondern jemand anderen.
»Bist du wirklich ihr Bruder? Bist du das wirklich?«
»Ja.«
»Ihr großer Bruder?« »Ja.«
Der andere sah ihn an. Dieselbe Verwunderung. Derselbe suchende zweifelnde Ausdruck. Seine Hände und Füße hielten jetzt still. Nun sind sie keine Waffen mehr, dachte Ademar.
»Dann müssen wir uns schon einmal begegnet sein«, sagte er zögernd, »vor vielen Jahren.«
Die Familie stieg vor Lottas Haus in Hagen aus dem Auto, was einen Moment dauerte. Lilly hatte einen Fuß im Kindersitz verklemmt und schrie wie am Spieß.
»Lilly, Lilly!«, rief Siv Winter. »Was machen sie mit dir?!«
Sie nahm Winter das Kind vom Arm. Jetzt war es geborgen, in Sicherheit. Großmutter war wieder da. Lilly hörte sofort auf zu schreien. Angela schüttelte den Kopf. Lotta lachte, und ihre Töchter alberten mit Elsa herum. Plötzlich fühlte Winter sich zu Hause.
Lotta hatte Fischfrikadellen gebraten, dazu gab es Meerrettichmus, zerlassene Butter und grüne Bohnen. Vorher hatten sie Krabben gegessen, die jeder selber schälte und in Aioli dippte. Bim und Elsa Winter hatten stattdessen Brot in Sardellenpaste getunkt.
»Meerrettich vermisse ich am allermeisten in Spanien«, sagte Siv und schenkte allen Wein ein. Es war ein Sancerre. Das hatte sie gemeinsam mit ihrem Sohn, dem das Leben zu kurz für schlechtes Essen und schlechten Wein war.
»Das ist sehr schwedisch«, sagte ihr Sohn.
»Die Deutschen essen auch Meerrettich«, sagte Angela. »Sehr schwedisch und sehr deutsch!«, sagte Elsa.
Winter probierte den Wein. Er war kühl, nicht zu kalt. Er prostete seiner Mutter zu.
»Willkommen zu Hause.« Sie lächelte.
»Willkommen zu Hause«, sagten alle im Chor. Sie tranken.
»Es klingt, als wäre ich für immer nach Hause gekommen.« Siv setzte ihr Glas ab.
»Bist du das denn nicht?«, fragte Kristina. »Möchtest du es, Schätzchen?«
»Jaa.«
»Aber was wird aus dem Haus in Spanien?«, fragte Bim. »Wir können doch dort Urlaub machen«, sagte Kristina. »Eine gute Idee«, sagte Lotta.
»So ein Haus sollte man nicht verkaufen, wenn es einem nun mal gehört«, sagte Winter. »Nee!«, sagte Elsa. »Nee!«, sagte Lilly.
Alle lachten.
»Wir werden sehen«, sagte Siv. »Erst mal muss ich mir eine Wohnung in Göteborg suchen.«
»Du kannst hier wohnen«, sagte Lotta. »Aber auf Dauer geht das doch nicht.«
»Warum nicht? Wir haben genügend Platz. Es ist auch dein Zuhause. Du hast früher hier gelebt.«
»Dann willst du also wirklich bleiben«, sagte Angela.
»Ich glaube, ja.«
»Wie schön.«
»Findest du?«
»Warum sollte ich es nicht schön finden?«
»Ich dachte, ihr wollt vielleicht ganz nach Spanien ziehen. Du könntest dort einen festen Job bekommen.«
»Aber ich glaube nicht, dass Erik schon jetzt in Pension gehen will«, sagte Angela.
»Warum nicht?« Winter stellte sein Glas ab. »Ich werde bald fünfzig.«
»In Pension mit
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