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Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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nicht in seinen Büchern verwenden konnte. Hätte es irgendetwas Elektromagnetisches oder so etwas Ähnliches gegeben, das die Träume in Farbe registrieren würde, hätte er sie nur abzuschreiben brauchen. Seine Phantasie hatte die Arbeit gewissermaßen schon erledigt, des Ergebnisses hätte er sich nicht zu schämen brauchen.
    Abends konnte er lesen.
    Er hielt sein Manuskript in der Hand. Wenn es ein Film gewesen wäre, würde man es Doku-Drama nennen, dachte er. Vielleicht wird es ja ein Film.
    Er las: »Sie war weiter geschwommen, als sie dachte. Sie war auf dem Weg zur Insel hinüber, jedenfalls hatte der Zeuge den Eindruck gehabt. Oder die Zeugen. Es steht noch nicht fest, wie viele das Mädchen im Wasser gesehen hatten. Wenn es überhaupt ein Mädchen gewesen war. Man wusste nicht, wann sie verschwunden war. Plötzlich war sie einfach verschwunden gewesen, wie ein Zeuge sagte. Aber ich kann mich auch täuschen, vielleicht war sie es gar nicht. Es könnte auch jemand anders gewesen sein. Es ist nicht einmal sicher, dass es ein Mensch war.«
    Er hörte auf zu lesen.
    Wieder fuhr ein Auto an seinem Haus vorbei. Es wendete und kam zurück. Ihm schien, als würde es vor seiner Gartenpforte halten. Er ging ins Wohnzimmer und schaute aus dem Fenster. Vor dem Nachbarhaus stand ein Auto. Die Rücklichter leuchteten in einem bösartigen Rot. Es gab viele Rottöne, aber die meisten waren bösartig. Bei Grün zum Beispiel war das nie so.
    Er senkte den Blick und sah das Loch in der Scheibe. Zum Glück hatte das Haus doppelt verglaste Fensterscheiben. Es war nicht unbedingt erforderlich, zu einer Glaserei zu gehen. Überhaupt verspürte er keinen Drang, irgendwohin zu gehen, und schon gar nicht nach der Begegnung mit dem Nachbarn. Diese Wohnlage hatte er gewählt, um ungestört zu sein. Nichts anderes als schreiben wollte er und das Haus nur verlassen, um das Nötigste einzukaufen, oder für einen kurzen Spaziergang, wenn er etwas Bewegung gegen den steifen Nacken und die verspannten Schultern brauchte. Eine Berufskrankheit. Er hatte sich chronische Beschwerden zugezogen, für die er keine Millionen bekommen hatte. Der Preis, den er dafür zahlte, war hoch, oder er würde hoch sein, wenn er weiterschrieb wie bisher und Nackenschmerzen bekam, ohne das ganz große Geld einzusacken. Ein hübscher altmodischer Ausdruck: das ganz große Geld einsacken. Eine rein körperliche Bewegung, ein fester Griff um den Sack, wenn er in den Tresorraum geschleppt wurde.
    Er kehrte an den Schreibtisch im Arbeitszimmer zurück und begann wieder zu lesen: »Sie war ein Gespenst geworden. Was ist ein Gespenst? Etwas, dem man nie entkommt? Etwas, dem man nicht entfliehen kann? Wie verschwand sie? Gab es eine Antwort?«
    Er hielt inne.
    Vor seiner Tür wurde der Automotor gestartet.
    Wenn er nicht die seltsame Auseinandersetzung mit dem Nachbarn gehabt hätte, wäre ihm das gar nicht aufgefallen. Autos waren auch früher vorbeigefahren, ohne dass er sich Gedanken darüber gemacht hatte.
    Das Auto stand noch immer da. Der Motor lief schon länger als eine Minute im Leerlauf. Er hörte keine zuschlagenden Autotüren.
    Dann fuhr das Auto weg. Fast atmete er auf. Es schien, als wartete man darauf, dass auch der zweite Schuh zu Boden fiel, vorher konnte man sich nicht entspannen.
    Er versuchte abzuschalten und legte das Manuskript beiseite.
    Damit konnte man sich nicht entspannen. Er schrieb über ein zutiefst beunruhigendes Ereignis, tragisch und unerklärlich, disturbing, wie die Engländer sagten. Das war ein gutes Wort, disturbing, es gab keine überzeugende schwedische Entsprechung. Beunruhigend reichte nicht, störend war zu platt. Disturbing bedeutete, dass es etwas gab, dem man nicht entkam, das einen verfolgte.
    Er stand wieder auf.
    Das einen bis in die Sackgasse verfolgte, dachte er.
    Aneta Djanali und Fredrik Halders kamen aus dem Royal. Die Avenyn war ungewöhnlich leer. Die Leute hielten sich woanders auf.
    »Findet doch ein Spiel statt?«, sagte Halders.
    »Hättest du es dann nicht gewusst?«
    »Normalerweise schon. Vielleicht ein kurzfristig angesetztes Zusatzspiel.«
    »Und dann geht die ganze Stadt hin?« »Ich weiß es nicht, Aneta.«
    »Lass uns doch mal vorbeigehen und nachsehen.«
    »Können wir gerne machen.« Halders setzte sich in Bewegung. Sie bogen nach rechts in die Vasagatan ein. Der langgezogene Platz vor dem Kometen war verlassen. Das Restaurant sah leer aus.
    »Wie lange bleibt der Babysitter?« Aneta Djanali sah auf

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