Toter Mann
Gras hat dich entlarvt.« »Ich hab nichts gehört.«
»So funktioniert es aber.« »Wie das?«
»Derjenige, der sich anschleichen will, ist so konzentriert, dass er seine eigenen Geräusche nicht bemerkt.« »Aha.«
»Genauso ist es.«
»Aber eigentlich bin ich gar nicht geschlichen.«
»Niemand kann sich auf fünf Meter an mich anschleichen, ohne dass ich es merke«, sagte Halders.
Aneta Djanali antwortete nicht. Sie war genau wie Fredrik Halders Kriminalinspektorin. Sie hatten den gleichen Job, und jetzt wohnten sie auch im selben Haus, nachdem Fredriks Frau bei einem Unfall mit Fahrerflucht ums Leben gekommen war. Danach hatte er fast den Verstand verloren und vor allen Dingen sein Urteilsvermögen. In der Zeit hatte er die bösen Gestalten nah an sich herangelassen und ihnen erlaubt, ihm zu schaden und ihn fast umzubringen. jetzt würde ihm vielleicht niemand mehr nahe kommen. »Irgendwann werde ich mich wirklich anstrengen«, sagte
Aneta Djanali.
»Wie im Rosaroten Panther«, sagte Halders. »Ich kann dir nicht ganz folgen.«
»Inspektor Clouseau. Peter Sellers. Er hatte einen chinesischen Gehilfen, der musste ständig versuchen, ihn zu überfallen, ich meine den Kommissar, wenn er keine Deckung hatte.«
»Der rosarote Panther?«
»Sag bloß, du kennst die Filme nicht?« Aneta Djanali antwortete nicht.
»Das darf doch nicht wahr sein«, sagte Halders.
»Vielleicht ist das ein Generationsproblem«, sagte Aneta Djanali.
»Genau, nenn mich Großvater.«
»Wir sollten den Film mal ausleihen«, schlug Aneta vor, »um die Kluft zu überbrücken.«
»Es sind mehrere Filme«, sage Halders, »eine ganze Serie.« »Dann leihen wir eben alle.«
»Die Rückkehr des rosaroten Panther ist der beste.« »Ich hole Hannes und Magda an der Straße ab.« »Gut.«
Hannes und Magda waren Halders' Kinder aus der Ehe mit Margareta. Magda wurde ihrer Mutter immer ähnlicher. Als ihm das zum ersten Mal aufgefallen war, hatte er gedacht, dass er es akzeptieren musste. Diese Ähnlichkeit würde nicht wieder verschwinden, wie das Leben, das auch nicht einfach so verschwand. Doch, genau das tat es. In einer Sekunde. In der zweiten Sekunde. Lang wie ein Leben. Alles erstarrte in der zweiten Sekunde, alles Leben, das es bis eben noch gegeben hatte, erstarrte in dieser zweiten Sekunde, die alles abbrach, was hätte geschehen können, was aber nie mehr passieren würde. Habe ich meine Trauer jemals verarbeitet? Habe ich es mit Hilfe von Aneta geschafft, wenn ich sie denn überwunden habe?
Plötzlich flammten die Scheinwerfer über dem Ullevistadian auf. Sie blendeten fast und erzeugten eine neue Dunkelheit um sich, eine tiefere Dämmerung, die bis zu ihrem Haus reichte. »Findet heute Abend ein Spiel statt?«, fragte Aneta Djanali. »Nicht dass ich wüsste.«
»Wenn du es nicht weißt, wer sollte es sonst wissen.« »Fußball interessiert mich nicht mehr«, sagte Halders, »seit der ÖlS rausgeflogen ist.« »Ach ja?«
»Wer ÖlS-Fan ist, hat selber Schuld«, sagte Halders. »Nein.« Aneta Djanali lächelte.
»Die Mannschaft der Oberschicht.«
»Warum hältst du dann zu denen?«
»Sie passt zu meinem Stadtviertel«, sagte Halders. »Es gibt aber doch noch andere Mannschaften?« »Lundens IS? Dass ich nicht lache.«
»Ich weiß nicht.«
»Der IFK ist Winters Mannschaft«, sagte Halders. »Das glaub ich jedenfalls.« »Aha.«
»Die Mannschaft des Erfolges.«
»Willst du damit etwas über Erik sagen?«
»Nein. Nicht mehr, als dass seine Mannschaft auch die Mannschaft der Mehrheit ist.«
»Ich glaube, dafür kann Erik nichts.« »Mehr sage ich nicht.«
»Er hat sich gestern wohlwollend über dich geäußert.« »Ach? Wann denn?«
»Ich hab im Vorbeigehen gehört, wie er sich mit Bertil in der Kaffeeküche unterhalten hat. Erik hat was von deiner ... Integrität gesagt, glaube ich. Also etwas Positives.«
»Integrität?«
»Ja.«
»Das ist ein anderer Ausdruck für Starrköpfigkeit.« »So hat er es nicht gemeint, Fredrik.«
Die Scheinwerfer über Ullevi erloschen genauso überraschend, wie sie aufgeflammt waren.
»Falscher Alarm«, sagte Halders.
Über dem Meer brach die Sonne hervor wie ein rotes Lächeln.
In wenigen Sekunden war es vorbei.
»Wollen wir heute Abend ins Kino gehen?«, fragte Aneta Djanali.
»Es läuft kein Film, der sich lohnt«, sagte Halders. »Hast du schon nachgesehen?«
»Nein.«
»Was ist mit dir los, Fredrik?«
»Der Sommer stirbt - darum bin ich heute Abend traurig.« »Das
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