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Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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erinnert.«
    »Worüber schreibt er eigentlich? Über ein verschwundenes Mädchen?«
    »Ja.«
    »Was war das für ein Mädchen?«
    »Es war in dem Lager. Ich war nie dort, aber ich bin manchmal in einer Jolle an der Bucht vorbeigesegelt. Von den Kindern und Jugendlichen im Lager kannte ich niemanden. Meine Eltern haben damals eine Hütte auf Tången gemietet.«
    »Wann war das?«
    »Fünfundsiebzig, glaube ich. Damals war ich fünfzehn.« »Jemand ist also verschwunden?«
    »Ein Mädchen ist schwimmen gegangen und nie wieder aufgetaucht. Hast du damals nicht in der Stadt gearbeitet?«
    »Nein, nicht hier, nicht damals. Da bin ich in Uniform in Södertälje herumspaziert.«
    »Das Mädchen ist nie gefunden worden«, sagte Winter. »Ach?«
    »Es ging das Gerücht, sie sei aus dem Lager abgehauen. Das passierte ziemlich oft. So ein Sommerlager ist kein angenehmer Aufenthaltsort.«
    »Das hat man ja schon öfter gehört. Gefangenenlager für Kinder.«
    »Sie ist verschwunden.«
    »Wieso ist sie dir gerade jetzt eingefallen, Erik?« »Ademar versucht, ein Buch über sie zu schreiben.« »Woher weißt du das?«
    »Er hat es mir erzählt.«
    »Dann hat er vielleicht einige Antworten?« »Wohl kaum.«
    »Keine Puzzleteile ?«
    »Diese Geschichte scheint ein echtes Mysterium zu sein, Bertil.« »Wie hieß sie?«
    »Beatrice. Mehr weiß ich nicht über sie.«

17
    Der Morgennebel war wie eine Schutzschicht. Fragt sich nur für wen, dachte Winter, als er vom Sankt Sigfrids plan abbog. Der Nebel aus den Wäldern trieb in Örgryte zwischen den Häusern hindurch. Vielleicht würde es ein schöner Tag werden, wenn er über das Meer davonzog. Möglicherweise war das die Ordnung der neuen Zeit. Der Treibhauseffekt. In Örgryte gab es viele Gewächshäuser. Die Villengrundstücke boten genügend Platz, und die Leute, die dort wohnten, waren anspruchsvoll genug, um eigene kleine Treibhäuser zu unterhalten. Probier mal diese Tomaten. Das nenne ich einen Kürbis, Liebling.
    Richardssons Villa war wie von einer Glückshaube eingehüllt.
    Ich wurde mit einer Glückshaube geboren. Das bedeutet etwas Besonderes. Mama Siv hat es mir viele Male erzählt, als ich heranwuchs. Aus Menschen, die mit einer Glückshaube geboren werden, wird etwas Besonderes. Sie werden berühmt. Ich bin in der ganzen Skånegatan berühmt und so ziemlich überall in dieser berühmten Stadt im Mittelpunkt der Welt am Rand des Eismeeres.
    Winter riss die Glückshaube herunter und klingelte an der Tür.
    Die Klingel wirkte wie aus echtem Gold. Richardsson war Gemeinderat und für irgendwelche sozialen Fragen verantwortlich, aber mit dem Job konnte er kaum Gold spinnen. Winter hatte Leute losgeschickt, die sich unter den anderen Politikern umhören sollten, aber niemand schien genau zu wissen, was Richardsson eigentlich tat. Auch die Beamten in der Kanzlei äußerten sich nur vage. Das war vermutlich normal. Wenn keiner wusste, was man eigentlich tat, war es leichter, weiter das zu betreiben, von dem keiner wusste, was es war. Auf die Weise konnte man sich lange Zeit über Wasser halten. In den Medien war oft die Rede von Politikerverachtung, aber in der Frage hatte Winter keine eindeutige Meinung. Möglicherweise bedeutete für ihn dieser Ausdruck, dass die Politiker diejenigen Leute verachteten, die sie gewählt hatten, aber die Definition behielt er lieber für sich.
    Er klingelte wieder. Hinter einem Fenster im ersten Stock hatte sich fast unmerklich eine Gardine bewegt. So etwas registriert man als Polizist. Eine Fähigkeit, die nichts mehr wert war, wenn man den Ruhestand antrat. Das führte nur zu Paranoia. Schon jetzt erzeugte es Paranoia. Oder Depressionen. Ständig Bewegungen aus den Augenwinkeln zu registrieren. Wurde es denn niemals ruhig auf der Welt?
    Berit Richardsson öffnete. Sie blieb im Halbdunkel der Diele stehen, als hätte sie die Tür mit einem Stock geöffnet. »Darf ich hereinkommen?«, fragte Winter.
    Sie antwortete nicht.
    »Sie erkennen mich doch?« Sie nickte.
    Winter trat ein. Die Frau ging ein paar Schritte rückwärts. Es war eine unheimliche Bewegung, als fühlte sie sich von ihm bedroht. Als käme er mit einer Nachricht, die ihr Leben zerstören würde. Vielleicht war es schon zerstört, schon seit langem. Winter schloss die Tür hinter sich. In der Diele wurde es dunkel. Die Frau entfernte sich. Weiter hinten war Licht, wie am Ende eines Tunnels. Winter folgte ihr. Sie hatte sich auf das Sofa im Wohnzimmer gesetzt. Durch die Fenster

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