Totgelebt (German Edition)
machen können. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Nur noch einmal, dann nie wieder. Niemals wieder. Sie dachte an ihre Mutter. Sollte sie noch einmal mit ihrer Mutter sprechen? Versuchen Abschied zu nehmen. Ihr sagen, was für ein Arschloch ihr neuer Mann war, mit was für einem Tier sie hier in einer Wohnung lebte? Sie liebte ihre Mutter und es tat ihr weh, sie zu verletzte n und sie nie wieder zu sehen. Aber sah ihre Mutter wirklich nichts von dem, was hier geschah? Sie musste doch sehen, wie er sie ansah, wie er sich in ihrer Gegenwart benahm. Sie schüttelte den Kopf, sie wollte an nichts Schlimmes denken, diese vier Tage sollten ihre Tage werden, ihr Abschied vom Leben. Sie wollte das Ende von a llem feiern.
Er hatte ihr abseits vom Forum in einer persönlichen Nachricht vorgeschlagen, „es“ nächsten Samstag zu machen. In einem Waldstück, nicht ganz so weit weg von ihrer Wohnung. Sie konnte die U-Bahn nehmen, da war sie in circa 15 Minuten da. Sie hatte gar keine Angst, nicht vor dem Tod, nicht vor dem Erlöser, sie fühlte sich das erste Mal seit langer Zeit wieder richtig glücklich, fast gelöst, eins mit sich selbst. Sie hatte das Gefühl von absoluter Freiheit, sie war wie befreit. Was sie wohl danach erwarten würde? Würde sie weiterleben? Sie glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod. Sie hoffte nur auf Ruhe. Schlimmer k onnte es eigentlich nicht mehr werden. Er hatte ihr sogar versprochen die Waffe zu besorgen. Er würde sich um alles kümmer n. „Hab keine Angst, ich helfe d ir. Du kannst d ich absolut auf mich verlassen. Ich werde dich aus dem Elend befreien, ich erlöse dich.“, hatte er ihr geschrieben. Seine einzige Bedingung war absolutes Stillschwiegen. Kein Wort zu irgendjemandem, hatte er gefordert. Sie hätte es gerne im Forum verkündet. Bei ihr war es nun endlich soweit, bei den anderen traute sich fast niemand wirklich. Aber sie hatte es versprochen, also schwieg sie. Er hatte sie auserwählt, hatte er ihr gesagt, weil er erkennen konnte, dass sie besonders leide. Weil es ihr besonders schlecht gehe. Nur sie habe er erwählt. Kurz und schmerzlos wird es sein, hatte er ihr gesagt. Du wirst nicht leiden. Das war ihre größte Angst, zu leiden. Sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn die Kugel sie vielleicht nicht richtig treffen würde, oder wenn sie überleben würde, schwer verletzt. Doch er nahm ihr die Angst. Er würde dafür sorgen, dass alles gut verläuft, dass es schnell geht. „Vertraue mir“, hatte er geschrieben. Und sie vertraute ihm, bedingungslos. Sie hatte selten einem Menschen so sehr vertraut. Er vermittelte ihr absolute Sicherheit. Er wusste, was er tat, wusste wovon er sprach. Bei den anderen hatte es auch ohne Probleme geklappt. Sie hatte nicht zu ihm gesagt, dass sie genau wusste, wer er war. Das war ihr Geheimnis. Sie war stolz, dass er ausgerechnet sie erwählt hatte. Sie fühlte sich als etwas Besonderes. Es fiel ihr sehr schwer nicht damit im Forum anzugeben. Sie hätte so gern darüber gesprochen. „Noch vier Tage.“, murmelte sie wieder vor sich hin.
3 6 . Kapitel
Max schellte. Er musste nicht lange warten, die Tür wurde ihm sofort geöffnet. Anne stand im Türrahmen. Max nahm Anne kurz in den Arm. Sie sah müde aus, vermutlich hatte sie die ganze Nacht nicht geschlafen. „Wo ist sie?“, Max sah Anne fragend an.
Anne deutete mit dem Kopf in Richtung Schlafzimmer. „Sie ist bisher nicht mal aufgestanden, und sie hat noch kein einziges Wort geredet. Sie zieht sich total zurück. Ich weiß nicht, was sie denkt, was sie fühlt. Nichts. Sie verschließt sich komplett.“ Anne schluckte.
„Soll ich, also, soll ich es mal versuchen? Ich muss auch mit ihr über die Arbeit reden.“, Max ließ die Frage im Raum hängen.
Anne nickte nur.
„Soll ich einfach rein gehen?“, fragte Max weiter.
Anne nickte wieder.
Zögerlich schritt Max auf das Schlafzimmer zu. Er hatte das Gefühl Paulas Privatsphäre zu verletzten. Paula war immer sehr darauf bedacht, ihr Privatleben zu schützen und nun drang er in ihr Schlafzimmer ein. Ohne dass sie es wusste, sie konnte ihn nicht ein mal daran hindern. Vor der Türe blieb er stehen, schaute Anne noch mal fragend an. Diese nickte wieder. Er klopft e vorsichtig an die Türe und rief „Paula, ich bin es, Max, darf ich rein kommen?“ Keine Reaktion. Max klopfte ein zweites Mal, lauter. Keine Reaktion. Leise öffnete er die Türe und schaute ins Zimmer hinein. Paula lag am äußersten Ende der einen
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