totgequatscht: Maggie Abendroth und der Teppich des Todes (German Edition)
willst du von Rudi?«
»Gar nix. Ich wollte wat von Winnie. Vorhin hat Nikolaj angerufen und mir die Ohren vollgeheult, dat der Winnie nich nach Hause gekommen wär, und er macht sich Sorgen und so … Ich hab dem gesacht, datter’n Mordfall hätte und so. Aber der war fast am Durchdrehen, ich dachte, da wär’ wat Schlimmeret im Busch.«
»Ist es auch – aber das erzählt dir Winnie lieber selbst. Ich kann nur so viel sagen: Ich brauche definitiv eine eigene Wohnung.«
»Oh«, sagte Berti. »Oh. Dat is ja … Also… dat hätte ich gezz nich gedacht.«
»Behalt es für dich, bis er es dir erzählt. Tu mir den Gefallen und liefere mich nicht ans Messer, okay?«
Sie nickte.
»Was machst du denn eigentlich mit dem Altpapier?«
»Recherche.« Sie packte die Zeitungen, ohne weiter auf meine Frage einzugehen, schnüffelte und sagte: »Wonach stinkt dat eigentlich hier?«
Aus dem Backofen quoll schwarzer Rauch. Ich riss das Fenster auf und drehte den Gasherd ab. Berti wedelte mit den Zeitungen in der Luft herum. Als sich der Qualm verzogen hatte, holte ich ein verkohltes Brötchen aus dem Backofen, das Winnie offensichtlich dort vergessen hatte. Normalerweise bin ich die Expertin für Küchenkatastrophen, aber dank Winnies Gemütslage holte er rasch auf.
Kaum war Berti wieder weg, klingelte das Telefon. Diesmal war es Nikolaj auf der Suche nach Winnie. Er jammerte mir die Ohren voll, dass er ihn überall gesucht hätte, und schluchzte beinahe, als er seine Rede mit: »Ich vermisse mein Tortiki, wo ist er? Du bist die Einzige, die mir kann helfen. Maggie, bitte, bitte, wenn du weißt, wo er ist …«, abschloss.
Hätte ich nicht schon Winnies Version gehört, hätte ich ihm fast glauben können. Statt zu trösten, sagte ich: »Nikolaj Andrejewitsch Besuchow, lass das Drama. Ich weiß, was los ist. Und tust du Winnie auch nur noch einmal weh, dann hol ich dich mit dem Leichenwagen ab und du wirst Kanada niemals sehen! Hast du das kapiert? Winnie wird sich melden, wenn er sich melden will. Pack dich an deine eigene Nase … oder nee, besser an deine Eier. Und ruf hier nie wieder an.«
Bevor er etwas entgegnen konnte, legte ich auf.
Was für eine Bilanz! Um mich herum krachte es an allen Ecken und Enden. Eigentlich, wenn ich es recht betrachtete, seit Wilma ihre Heiratspläne verkündet hatte. Konnte das miteinander zusammenhängen? So, wie die Geschichte mit dem Schmetterling, der in Texas mit den Flügeln schlägt und in Paris fällt der Eiffelturm um? Na ja, der Vergleich hinkt. Wäre aber trotzdem zu schön, wenn Wilma an allem schuld wäre.
Vielleicht war es einfach nur der Lauf der Dinge: Der eine heiratet, der andere trennt sich, der dritte findet eine Leiche und trennt sich … Ich trenne mich nicht, muss mir aber trotzdem eine neue Wohnung suchen.
Diesmal nahm ich den Telefonhörer in die Hand und wählte Bertis Nummer in der Hoffnung, sie sei schon wieder im Kiosk. Ich hörte am Klingelton, wie mein Anruf auf das Handy weitergeleitet wurde. Sie ging sofort ran. Ich sagte: »Berti, kannst du einen Zettel in den Kiosk hängen, dass ich eine Wohnung suche? Bitte.«
»Hab ich schon, gleich nachdem der Nikolaj angerufen hatte. Wat glaubs du denn? Winnie und du in eine Hütte.«
»Was hast du gegen mich?«
»Nix. Aber ich kenn meinen Enkel. Dat kann der nich.«
»Was genau?«
»Der hat dat nich so gerne, wenn ihm einer beim Elend zuguckt.«
»Ach«, sagte ich. »Da sind wir ja schon zwei. Was hast du denn geschrieben?«
»Frau mittleren Alters, alleinstehend, berufstätig sucht kleine preiswerte Wohnung (auch möbliert oder teilmöbliert) in Ehrenfeld und Umgebung.«
»Danke«, sagte ich.
»Nix zu danken. Iss noch wat? Ich muss gezz auflegen. Ich bin bei den Schmicke vor seine Haustür.«
»Was wird das?«
»Hab ich doch gesacht. Recherche. Ich geh da gezz ma hin, weil der Hugo seine Zeitungen nich abgeholt hat. Dat is doch’n netter Service von mir, oder?«
»Und warum hast du mich nicht mitgenommen?«
»Wat sollen wir denn da zu zweit? Ich bring doch da nicht den Wachturm hin. Außerdem hasse wat besseret zu tun – lies ma schön die Wohnungsanzeigen inne Zeitung.«
»Wie du meinst.« Ich legte auf.
Das also war es, was von mir übrig geblieben war – eine Frau mittleren Alters, alleinstehend und berufstätig. Es klang nicht wie eine Lebensbilanz, die man an die Öffentlichkeit bringen sollte. Einundvierzig Jahre alt und mehr nicht vorzuweisen?
Offensichtlich nicht, raunte meine innere
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