Totgesagt
Ellbogen auf den Tisch, “vor etwas über einem Jahr, da bat Madeline mich um einen kleinen Kredit.”
“Was hat das denn jetzt damit zu tun?”
“Das bedeutet, dass sie knapp bei Kasse ist. Und dieser Solozano ist bestimmt nicht billig.”
“Ja, und?”
“Also wird sie ihn sowieso aufgeben müssen, ehe er überhaupt dazu kommt, irgendwas zu unternehmen.” So sicher, wie er klang, war er mitnichten. Falls Madeline nämlich von den Qualitäten ihres Detektivs so überzeugt war wie er selbst, ließ sie ihn sicher nur ungern ziehen. Er hatte allerdings nicht vor, seiner Mutter diese Vermutung auf die Nase zu binden.
“In letzter Zeit meldet sie sich gar nicht mehr, wenn ich sie anrufe”, jammerte Irene. “Wieso bloß? Hat sie doch sonst nie gemacht! Ob sie wohl was ahnt?”
Allie legte mahnend den Finger über die Lippen, woraufhin Clay nochmals ins Wohnzimmer schaute.
Diesmal hörte die Kleine offenbar das Knarren der Bodendielen, denn sie drehte sich um und strahlte ihn an. “Hallo, Daddy. Guckst du
Madagaskar
mit mir zu Ende?”
“Nachher”, versprach er. “Wenn Großmutter weg ist, ja?”
Sie nickte und richtete ihr Augenmerk gleich wieder auf den Fernsehschirm. Clay ging in die Küche zurück. “Madeline hat ein schlechtes Gewissen”, brummte er leise. “Weil sie den Kerl überhaupt engagiert hat. Deshalb ruft sie dich nicht zurück.”
“Na, geschieht ihr ganz recht! Überleg mal, was sie damit vielleicht alles anrichtet!”
Clay wechselte einen besorgten Blick mit seiner Frau. “Mom, hör mal zu”, bat er, wobei er sich setzte und nach ihren Händen griff.
“Was denn?”
“Bleib doch ruhig, okay? Du steigerst dich da in etwas rein. Wir werden auch das überstehen. Wie alles andere davor – vorausgesetzt, wir lassen uns nicht verrückt machen.”
“Aber das hört im Leben nicht auf”, klagte sie. “Es geht immer weiter!”
“Daddy?”, rief Whitney aus dem Wohnzimmer.
“Ja, Mäuschen?”
“Weint die Oma?”
“Ach was, sie macht sich nur ‘n bisschen Sorgen. Wegen dem … äh …”
“… dem Riecher?”, rief die Kleine dazwischen.
“Riecher?” Clay guckte seine Frau verdutzt an.
Die zog die Stirn kraus. “Schnüffler vielleicht?”
Seufzend rieb Clay sich den Nasenrücken. Whitney hatte von der Bergung des Cadillacs gehört und ihren Stiefvater schon gefragt, wen er denn überhaupt “totgemacht” hätte. Die anderen Kinder in der Schule hätten das nämlich behauptet. Er versicherte ihr, dass alles gelogen sei. Aber wenn er nicht höllisch aufpasste, konnte es durchaus sein, dass man ihren Stiefvater eines Tages in Handschellen abführte …
“Oma hat was von den Lügengeschichten gehört, die man dir in der Schule erzählt”, rief er. “Das ist alles.”
“Ach so”, rief die Kleine. “Keine Angst, Oma. Daddy tut keinem was.”
Noch einmal wechselten Allie und Clay einen Blick. “Es geht nicht, dass du so völlig von der Rolle hier auftauchst, verstanden?”, raunte er seiner Mutter gedämpft zu. “Wenn du unbedingt etwas loswerden willst, ruf vorher an!”
“Keiner will mir zuhören …” Irene kämpfte mit den Tränen.
“Reiß dich gefälligst zusammen!”
Angesichts seines knallharten Tons fuhr sie hoch.
“Wo willst du hin?”, fragte er.
“Nach Hause.”
“Mach bloß keine Dummheiten!”, sagte er mahnend. “Am besten tust du gar nichts!”
“Aber ich halte das nicht mehr aus!”, brach es aus ihr heraus.
“Wir müssen es aushalten.” Er packte sie bei den Schultern und zwang sie, ihn anzusehen. “Wir haben keine Wahl!”
Madeline saß auf der Besucherseite ihres eigenen Schreibtisches. Dicht neben ihr stand Hunter, rücklings gegen die Wand gelehnt. Kirk hatte sich vor dem Fenster platziert und starrte versonnen auf die Straße. Pontiff hatte ihn telefonisch hinzubestellt, nachdem Madeline ausgesagt hatte, ihr Exfreund habe sie aufgefordert, ihren Anrufbeantworter abzuhören. Nun wollte der Revierleiter wissen, wieso Kirk daran so interessiert war.
Madeline war sich ziemlich sicher, dass er nichts mit der betreffenden Nachricht zu tun hatte. Dennoch: Mit Kirk und Hunter im selben Zimmer zu sein, das fiel ihr schwer. Außerdem konnte sie die ständigen Wiederholungen jener knarzenden Stimme auf Band allmählich nicht mehr ertragen. Chief Pontiff spielte die widerwärtige Nachricht immer wieder vor, weil er hoffte, irgendjemand werde vielleicht doch die Stimme erkennen oder eine sprachliche Eigenheit heraushören, mit der
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