Totgeschwiegen
um ihm zu signalisieren, dass er nicht zu viel erzählen sollte.
“Ihr fahrt zelten?”, fragte Joe sehr interessiert. “Wo soll’s denn hingehen?”
“Zum Pickwick-See”, sagte Kennedy, weil er wusste, dass Joe normalerweise ein ganzes Stück weiter fuhr.
“Warum denn zum Pickwick-See?”, wunderte sich Joe. “Da wart ihr doch schon so oft.”
Kennedy zuckte mit den Schultern. “Wir haben uns ganz spontan dazu entschlossen.”
“Habt ihr nicht Lust, zum Arkabutla-See zu fahren? Dann komme ich gern mit.”
Joe liebte nichts so sehr wie fischen und auf die Jagd zu gehen. Und da seine Freunde fast alle verheiratet waren, suchte er ständig nach Möglichkeiten, mit jemandem loszuziehen. Kennedy hatte aber nicht die geringste Lust, ihn mitzunehmen. Nach dem Vorfall in der Pizzeria konnte er sich ungefähr vorstellen, wie Grace auf die Anwesenheit von Joe reagieren würde. Deshalb sagte er: “Da fahren wir dann das nächste Mal hin.”
Buzz sah auf die Uhr. “Wir sollten lieber mal losgehen. Sarah ist bestimmt sauer, wenn wir zu spät kommen.”
Kennedy schlug zum Abschied mit der flachen Hand auf die Motorhaube. “Na dann viel Spaß und schöne Grüße an Sarah und die Kinder.”
“Geht klar.”
“Und sei nett zu Melinda, Joe”, fügte er hinzu.
“Meinst du mich?” Joe grinste ihn an. “Ich bin doch der Netteste von allen.”
Kennedy lachte. Als die beiden endlich davongefahren waren, seufzte er erleichtert. Ihm hätte gerade noch gefehlt, dass Joe herausfand, mit wem er und seine Jungs das Wochenende verbringen wollten. Der hätte sich doch das Maul darüber zerrissen.
Grace erwartete Kennedy und seine Söhne. Sie war nervös und spielte mit den Ringen an ihren Fingern. Gestern Abend hatte Madeline angerufen. Sie wäre gern vorbeigekommen, aber Grace hatte Kopfschmerzen vorgeschützt und behauptet, sie würde früh ins Bett gehen. Sie wollte nicht ihrer Stiefschwester gegenüberstehen und vorgeben müssen, dass sie in Jeds Werkstatt nichts mitgenommen hatte, wo sie sich doch nicht sicher war, ob sie diese Bibel wiederbekommen würde. Sie wollte nicht als Lügnerin dastehen. Auch mit ihrer Mutter wollte sie nicht sprechen. Sie hatte keine Lust, so zu tun, als gäbe es keinen Grund, sich über die Zukunft Sorgen zu machen. Bestimmt wäre ihre Mutter nur nervös geworden. Deswegen und weil alle in der Stadt darüber spekulierten, was es mit dem Einbruch von Madeline in Jeds Werkstatt wohl auf sich hatte, war Grace froh, für ein paar Tage rauszukommen.
Auch wenn sie dafür mit Kennedy Archer zusammen sein musste.
Sie fragte sich, worüber sie beide sich unterhalten sollten. In der Highschool hatte sie ihm oftmals sehnsüchtig hinterhergeblickt, wenn er den Flur entlanggegangen war. Oder sie hatte ihn heimlich von einer Ecke des Klassenzimmers aus beobachtet, wie er einen Arm um Raelynn legte, und sich gewünscht, sie könne an ihrer Stelle sein. Aber er hatte sie ja kaum bemerkt. Nun war sie wieder zurück, und das Erste, was er von ihr mitbekommen hatte, war, dass sie sich auf der Toilette der Pizzeria einschloss. Und zum zweiten Mal waren sie zusammengetroffen, nachdem sie einen Einbruch verübt hatte und geflüchtet war. Das waren nicht gerade die idealen Voraussetzungen für den Beginn einer Freundschaft.
Immerhin würde Teddy auch dabei sein. Ihn hatte sie ins Herz geschlossen. Sie hatte noch nie ein liebenswerteres Kind getroffen. Ihrer Meinung nach verdiente Kennedy diesen netten Jungen genauso wenig, wie er Raelynn verdient hatte. Aber das Leben war nun mal nicht fair, das hatte sie schon vor langer Zeit herausgefunden.
Sie hörte das Auto in die Einfahrt einbiegen und nahm die Tasche mit den Keksen, die sie gebacken hatte, und die andere mit den Toilettenartikeln, den Shorts, T-Shirts und Tennisschuhen, nicht zu vergessen die Sonnencreme und den Badeanzug. Allen in ihrer Familie bis auf Clay hatte sie mitgeteilt, dass sie übers Wochenende nach Jackson fuhr, um George zu sehen – der sich nicht wieder gemeldet hatte –, und deshalb musste sie schnell in Kennedys Wagen einsteigen, bevor jemand sie bemerkte.
Sie eilte zur Tür, damit Kennedy gar nicht erst aussteigen und anklopfen musste. Als sie sie aufzog, stand er schon davor, auf dem Gesicht ein entwaffnendes Lächeln. Beinahe vergaß sie, dass sie sich ja ganz fest vorgenommen hatte, ihn nicht zu mögen.
“Wahnsinn”, murmelte sie leise vor sich. “Ich bin ja wohl blind gewesen.”
Er schaute sie erstaunt an. “Was
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