Totgeschwiegen
hoffen!”
“Wenn wir jetzt herumbuddeln, bekommen wir nur noch mehr Schwierigkeiten.”
“Nicht, wenn wir es so tun, dass keiner was davon merkt.”
“Wir müssen uns einfach zusammenreißen und abwarten, bis der Sturm vorüber geht”, sagte Clay. “Sonst nichts.”
Grace war sich nicht sicher, ob es so einfach sein würde. Ihrer Erfahrung mit polizeilichen Ermittlungen nach wäre es sehr viel besser zu beseitigen, was immer von Lee Barker übrig war – und sich dabei nicht erwischen zu lassen.
“Du kümmerst dich jetzt erst mal um deinen Garten und Evonnes Stand und um Madeline und Molly und das alles und lässt die Vergangenheit ruhen, okay?”, sagte Clay. “Darum kümmere ich mich schon.”
Grace zog sich die Bettdecke bis zum Kinn. Clay zu widersprechen, führte meistens zu nichts. Er war störrisch. Er hatte immer die Verantwortung getragen, und deshalb war sie manchmal versucht, ihm die Geschehnisse vor achtzehn Jahren ebenso vorzuwerfen wie sich selbst.
“Die Vergangenheit ruhen lassen?”, wiederholte sie ungläubig. Genau den gleichen Rat hatte Kennedy ihr gegeben.
“Genau.”
“Das ist unmöglich”, widersprach sie. Joe würde sie nicht ruhen lassen, da war sich Grace ganz sicher.
14. KAPITEL
I rene musterte Francine Eastman, die neben ihr am Delikatessenstand im Supermark stand, und überlegte, wie sie wohl ein Gespräch anknüpfen könnte. Fran, wie ihre Freunde sie nannten, betrieb einen Bridge-Klub für die Oberschicht, bei dem Irene natürlich keinen Zutritt hatte.
“Der Nudelsalat sieht ziemlich gut aus”, sagte sie.
Da sie die Einzigen waren, die darauf warteten, bedient zu werden, konnte Fran den Kommentar von Irene nicht einfach unbeantwortet lassen. Trotzdem schaute sie sie abschätzig an, als wollte sie sagen: “Sprechen Sie etwa mit
mir?”
Schließlich rang sie sich zu einer sehr allgemeinen Antwort durch: “Scheint so”, entgegnete sie kühl.
Irene zupfte sich den Seidenschal zurecht, den sie über ihrem Leinenkleid trug, und fuhr fort: “Ist heute nicht wieder der Bridge-Klub?”
Fran sah sie kühl an: “Reva hat heute Geburtstag. Polly macht gerade den Kuchen für sie fertig.” Sie deutete auf die Frau hinter dem Tresen.
Reva war die Frau eines der wohlhabendsten Farmer der Gegend und Frans beste Freundin. Sie kaufte gelegentlich in der Boutique ein, aber Irene konnte sie auch nicht besser leiden als Fran. “Dann feiern Sie wohl eine kleine Geburtstagsparty, wenn Sie mit dem Kartenspielen fertig sind?”, fragte sie.
“So ist es”, entgegnete Fran. “Ich nehme an, Sie gehen dann wieder an die Arbeit?”
Irene erstarrte angesichts dieses herablassenden Tons. Frans Worte waren keine Beobachtung – sie spielte auf die riesengroße Kluft zwischen ihnen an. “Ja, aber ich habe es gar nicht eilig”, entgegnete Irene so gefasst wie möglich. “Ich kann mir meine Zeit ja frei einteilen.” Trotzdem klang es in ihren Ohren viel zu defensiv, und darüber ärgerte sie sich.
Fran zuckte mit den Schultern. “Wie schön für Sie.”
Schließlich hatte Polly den Kuchen fertig: “Ist es so recht, Mrs. Eastman?”
“Sehr schön, Polly. Vielen Dank.”
Fran nahm den Kuchen entgegen, aber noch bevor sie ihn in ihren Einkaufswagen legen konnte, sprach Irene weiter: “Haben Sie schon gehört, dass Grace wieder zurück ist?”
Die Antwort ließ einen Moment auf sich warten. “Ich habe davon gehört, ja”, sagte Fran in einem Ton, der darauf schließen ließ, dass sie nichts Gutes davon erwartete.
“Sie ist immer noch ledig. Kaum zu glauben, nicht wahr?”
“Ich kann mir schon denken, warum”, entgegnete Fran mit einem blasierten Lächeln.
Irene war klar, dass sie damit auf Grace’ schlechten Ruf anspielte. Auch sie hatte von den Gerüchten gehört, die über ihre Tochter in Umlauf waren, und ging davon aus, dass sie im Großen und Ganzen der Wahrheit entsprachen. Aber sie machte sich selbst dafür verantwortlich, nicht Grace. Sie hätte sich von Lee Barker trennen sollen, als sie merkte, dass einiges in ihrer Ehe schiefging. Aber bei einer Trennung hätte sie Madeline bei ihm zurücklassen müssen, und das hatte sie nicht gewollt. Außerdem hatte sie Angst, ihre Kinder könnten hungern und die Familie womöglich ganz auseinanderfallen.
“Wie auch immer”, sagte sie jetzt. “Noch ist nicht aller Tage Abend. Sie trifft sich ja jetzt mit Kennedy, und wer weiß, was dabei herauskommt.”
Fran stolperte, beinahe wäre ihr der Kuchen aus der Hand
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