Träum ich?: Roman (German Edition)
Hinter der Dose steht ein Foto mit einer attraktiven Blondine und zwei blonden Kindern.
»Ist das Ihre Familie?«, frage ich und zeige auf das Bild.
»Das?«, sagt er und nimmt das Bild in die Hand. »Nein, das war schon im Fotorahmen. Ich bin nicht verheiratet. Aber den Kunden gefällt es, wenn sie sehen, dass ich Familie habe.«
»Ach, nett«, heuchle ich.
»Sind Sie Single?«, fragt er.
»Nein«, entgegne ich. »Ich bin verheiratet. Sehr verheiratet.«
»Ihr Mann ist ein Glückspilz.« Er lächelt schmierig.
»Tja, ich schätze, wir sehen uns noch«, sage ich zu ihm.
»Das hoffe ich doch«, sagt er mit flirtendem Unterton.
Beim Weggehen muss ich mich beherrschen, nicht zu schreien.
Zwölf
A us der Feder von Selma Ruben-Garf-Sloan-Bucazzi-Lonagin-Burns
Liebe Hausbesitzer der Morning Hill Lane!
Kommen wir gleich zum Punkt, Leute: Unsere Straße sieht schlimm aus. Als ich vor fünfundzwanzig Jahren in unser Haus zog, war dies eine schöne Straße – eine Prachtstraße mit Steinhäusern im Kolonialstil, die zwar alle ähnlich, doch mit individuellen Merkmalen ausgestattet waren. Erinnert ihr euch noch, dass Mrs Fabrezi am Unabhängigkeitstag immer die amerikanische Flagge hisste? Und wir alle lieben Mr Saulbrooks Stauden. Viele von euch haben über die Jahre die Gartengestaltung meiner Mutter gelobt. Dadurch haben sich unsere Häuser unterschieden, obwohl unsere Straße gerade durch ihre einheitliche Grundgestaltung berühmt wurde.
Als die Fishbounds eine kreisförmige Auffahrt anlegten, hat sich niemand aufgeregt. Wozu auch? Jeder darf sich hier ausdrücken und entfalten. Es steht jedem frei, dies nach eigenem Belieben zu tun. Manche haben vielleicht die Stirn gerunzelt, als Agnes Southy passend zu ihren pinkfarbenen Zierleisten am Haus Flamingos auf den Rasen gestellt hat, aber eigentlich war das kein Problem. Schließlich sind wir alle viel zu sehr mit unserem Leben beschäftigt, um über so etwas nachzudenken, nicht wahr? Dann zogen Anfang 2000 die Rindchecks her, rissen Mrs Kornharts Haus ab und bauten ihre McMansion, woraufhin der alte Poolson sie verklagte. Kein Wunder: Dieser Klotz hat ihm die Sonne genommen. Jetzt ist sein Haus ständig im Schatten. Wart ihr je in Poolsons Haus? Man fühlt sich dort wie in einer Gruft!
Sagen wir es doch ganz offen: Unsere Straße sah früher aus wie das Shangri La. Und jetzt? Wie ein zusammengewürfelter Haufen Bauklötze!
Deshalb wende ich mich heute an euch. Ich habe mich mit einem netten Herrn von Carverman Downspouts in Verbindung gesetzt. Er heißt Gogo Goldblatt, und auf sein Anraten hin habe ich mich entschlossen, an jedem eurer Häuser – für euch kostenlos – identische Kupferfallrohre* installieren zu lassen. Ich wiederhole: Es kostet euch nichts! Dies ist mein Geschenk an die netten Nachbarn in der Morning Hill Lane. Erwähnte ich bereits, dass die Fallrohre aus Kupfer sind? Sie werden ewig halten!
Ihr müsst jetzt nur euren Namen auf die Liste derer setzen, die gewillt sind, unseren Block in die Prachtstraße von einst zurückzuverwandeln.
Und wenn ihr immer noch unschlüssig seid, ob ihr mein Geschenk annehmen sollt, dann bedenkt dies: Der Immobilienmarkt ist in der Krise. Hat jemand mal die Schätzpreise für diese Straße gesehen? Die Kupferfallrohre werden den Wiederverkaufswert der Häuser in die Höhe treiben.
Also, werdet ihr euren Namen auf diese Liste setzen?
Das dachte ich mir.
Vielen Dank und freundliche Grüße von
Selma Ruben-Garf-Sloan-Bucazzi-Lonagin-Burns
* Fallrohre sind die Rohre an den Seiten eines Hauses, durch die der Regen abfließt.
»Ist das zu fassen, dass ich wirklich jeden Nachbarn überzeugen konnte?«, ruft Selma beim Betreten des Hauses. »Die Rindchecks wollten sich erst zieren, aber als ich schwor, ich würde alles bezahlen, haben sie schließlich zugestimmt. Ich bin jetzt die Heldin dieses Blocks! Ist das zu fassen?«
»Sollte Gogo nicht schon längst da sein?«, fragt Dolly, die ein Tablett mit Rohkost und Dips in Händen hält. »Ich wollte eigentlich meine berühmten Empanadas machen, aber ich wusste nicht, ob Gogo die mag. Mag Gogo Empanadas? Ich bin so nervös.«
»Rohkost ist okay, Gram«, sage ich.
Die beiden sind so aufgeregt, dass sie Rose übersehen, die mit einer riesigen Golden-Bakery-Schachtel in der Hand hinter mir steht. Schließlich wirft Selma einen Blick über meine Schulter.
»Hallo«, ruft sie fröhlich. »Kommen Sie von der Fallrohrfirma?«
»Eigentlich nicht. Ma, Gram, kommt
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