Traeum weiter Baby
erwarte, daß du dich entsprechend amüsierst!«
Ich nickte wenig überzeugt.
»Und wegen Moritz mach dir mal keine Gedanken, dem geht’s hier prima, und du kommst einfach morgen, wenn du ausgeschlafen bist, ok?«
Was für ein Angebot! Eine ganze Nacht kinderfrei. Ich wußte nicht so recht, ob ich mich freuen oder traurig sein sollte.
»Jetzt geh schon und mach dir keine Sorgen!«
»Ich hab mein Handy dabei. Wenn irgendwas ist…!«
Einen Moment später stand ich auf der Straße. Es regnete ausnahmsweise nicht, und ich atmete die Frühlingsluft genießerisch ein. Dieser Abend gehörte mir.
|108| dancing queen
Paula wartete schon mit Tomas und zwei anderen Leuten an der U-Bahn -Haltestelle auf mich. Tomas begrüßte mich, als wären wir alte Bekannte. Die anderen Leute waren Robert und Nana, ein Paar, das Paula und ich seit Ewigkeiten kannten. Ungefähr genauso lange hatte ich sie schon nicht mehr gesehen. Sie waren in bester Partylaune. Robert war ein etwas exaltierter Typ und begrüßte mich entsprechend aufgekratzt:
»Hallo Süße! Man sieht sich ja gar nicht mehr, seit du Mama bist! Wie ist das Leben so?«
»Alles wunderbar, und bei euch?«
»Ich wünsch mir auch ein Baby«, sagte Nana, »irgendwann. Ist es nicht toll, Mutter zu sein?«
»Absolut! Es macht wirklich viel Spaß mit Moritz.«
»Ich sehe deinen Sascha ja manchmal, wenn ich in den Club gehe«, sagte Robert, »ein netter Typ.«
»Könnt ihr euch vielleicht unterwegs unterhalten«, drängelte Paula.
Wir wollten auf eines der berühmten Katakombenfeste gehen. Die wenig einladende Bezeichnung hatten sie daher, daß sie in den Kellern von Bauruinen stattfanden. Sobald bekannt wurde, daß irgendwo ein Haus abgerissen werden sollte, organisierte jemand so ein Fest. Das war damals so, und weil in München ständig irgendwo gebaut wurde, gab es jedes Wochenende Katakombenfeste. Die Gastgeber blieben geheimnisvoll im Hintergrund, weil es nicht erlaubt war, die Baustellen zu betreten, geschweige denn dort Feste |109| zu feiern. Aber der illegale Touch war die beste Mundpropaganda, und die Feste waren immer super besucht. Ein verbotenes Fest ist eben aufregender als ein genehmigtes Vergnügen. So entstand ein Pool von Menschen, in dem jeder ein paar Bekannte hatte, und die anderen Leute hatte man meistens auch schon irgendwo gesehen. Die Mischung war vielversprechend, aber die Wirklichkeit hielt den Erwartungen nicht ganz stand. Man war auf einer ähnlichen Wellenlänge und konnte theoretisch jede Menge Leute kennenlernen, die sich auch auf dieser bewegten. Meistens traf man aber nur komische Typen, die sich langweilten, weil sie alleine gekommen waren, und die Netten blieben unter sich. Das letzte Mal war ich mit Sascha auf so einem Fest gewesen, als ich ein paar Monate schwanger war.
Ich vermißte ihn. Aber ich war schon so lange nicht mehr weggewesen, daß ich mir vornahm, das Fest zu genießen. Mit oder ohne Sascha!
Heute abend fand das Fest in einer leerstehenden Brauerei statt, vor der eine endlose Schlange von Leuten auf Einlaß wartete. Wir stellten uns hinten an. Der Boden war überall aufgerissen, da die Abbrucharbeiten offenbar schon begonnen hatten. Robert war Architekt und hatte mit seinem Büro an einem Wettbewerb um die Neugestaltung des Geländes teilgenommen.
»Wir haben eine Ziegel-Glas-Lösung vorgeschlagen«, erzählte er, »damit die alte Fassade erhalten bleibt. Wir wollten die alten Mauerbögen belassen und dazwischen getöntes Glas setzen. Das sieht genial aus.«
»Warum sollte das Glas getönt sein?«
»Na ja, sonst könnten dir die Leute von der Straße aus beim Frühstücken zuschauen. Die Fenster wären ja zum Teil vom Boden bis an die Decke gegangen.«
»Wie schön«, sagte ich, »und habt ihr den Wettbewerb gewonnen?«
Nana lachte.
|110| »Du hast keine Ahnung«, sagte sie, »mit solchen Vorschlägen kriegt man keine Lorbeeren.«
»Leider«, sagte Robert, »es war dann doch billiger, alles abzureißen und neu aufzubauen. Jetzt wird hier ein stinknormales Wohnhaus hingebaut.«
Die Schlange bewegte sich langsam durch die Schutthalden hinunter zum Eingang in den Keller. Je tiefer wir stiegen, um so feuchter wurde der Boden und um so kälter die Luft. Über unseren Köpfen wölbte sich das alte Ziegelgemäuer, das sich nach rechts und links in scheinbar endlosen Gängen ausdehnte.
»Manche dieser alten Gänge verbinden unterirdisch ganze Straßenzüge«, erzählte Robert. »So konnten in der Nazizeit Leute
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