Träum weiter, Liebling
mir sehr viel bedeuten.« Sie lächelte. »Eine Bitte habe ich allerdings. Ich werde kommenden Montag abreisen, und wenn ich fort bin, möchte ich, dass Sie Cal Bonner einen kleinen Brief schicken und ihm für seine Großzügigkeit danken.«
»Selbstverständlich. Aber...« Lisa hatte noch immer den fassungslosen Ausdruck eines Menschen auf dem Gesicht, der es nicht gewöhnt ist, gute Nachrichten zu hören.
»Er wird sich riesig freuen zu hören, dass sein Geld Ihrer Tochter zugutekommt.« Rachel erlaubte sich einen Moment diebischer Freude. Sie würde Cals Bedingungen erfüllt haben, also konnte er sein Geld auch nicht zurückverlangen. Doch sie hätte darüber hinaus die Befriedigung, ihn doch noch drangekriegt zu haben.
»Mommy...«
Lisa straffte die Schultern, als das kleine, schwache Stimmchen erklang. »Ich komm schon.« Sie erhob sich, den kostbaren Scheck fest umklammert. »Möchten Sie Emily kennenlernen?«
Wenn Lisas Mutter dagewesen wäre, hätte Rachel Ausflüchte gemacht, aber Lisa schien keine wundersamen Heilungen von ihr zu erwarten. »Sehr gern sogar.«
Lisa schob den Scheck in ihre Hosentasche und führte Rachel dann über einen kurzen Gang an einem Schlafzimmer auf der rechten, einem Bad direkt gegenüber auf der linken Seite vorbei und schließlich zu Emilys Zimmer.
Kleine Mädchen mit Sonnenhüten hüpften fröhlich über die Tapete, und gelbe Vorhänge hingen an dem einzigen Fenster. Ein Strauß schlaffer, mit Helium gefüllter Luftballons schwebte müde in einer Ecke, und auf jeder freien Oberfläche standen Genesungskarten. Einige davon begannen sich bereits zu verbiegen.
Rachels Augen glitten zum Bett, wo ein blasses kleines Mädchen auf zerknitterten, blauen Laken lag. Sein Gesichtchen war aufgedunsen, und hässliche dunkle Blutergüsse verunzierten seine Ärmchen. Ein dünner Haarkranz umgab seinen kleinen Kopf wie Daunenfedern. Es umklammerte einen rosa Teddy und betrachtete Rachel aus leuchtend grünen Augen.
Lisa trat zu ihm ans Bett. »Willst du ein bisschen Saft, Knöpfchen?«
»Ja, bitte.«
Sie schob das Kissen höher, so dass Emily besser sitzen konnte. »Apfel oder Orange?«
»Apfel.«
Lisa zupfte die Bettdecke zurecht. »Das ist Rachel. Sie ist eine Freundin, kein Doktor. Vielleicht möchtest du ihr ja Blinky zeigen, während ich dir den Saft hole. Rachel, das ist Emily.«
Rachel trat vor, als Lisa das Zimmer verließ. »Hi, Emily. Stört‘s dich, wenn ich mich zu dir aufs Bett setze?«
Sie schüttelte den Kopf, und Rachel setzte sich auf den Matratzenrand. »Ich wette, dass ich weiß, wer Blinky ist.«
Emily blickte ihren rosa Teddy an und umarmte ihn fester.
Rachel tippte das Kind sanft auf die Nasenspitze. »Ich wette, das ist Blinky.«
Emily schüttelte lächelnd den Kopf.
»Ah, jetzt weiß ich‘s.« Sie berührte Emilys Ohrläppchen. »Das muss Blinky sein.«
Emily kicherte. »Nein.«
Sie spielten das Spiel noch ein paar Runden weiter, bis Rachel schließlich den Bären identifizierte. Das kleine Mädchen war ein geborener Charmeur, und es war herzzerreißend zu sehen, was die Krankheit aus ihm machte.
Lisa tauchte mit einem gelben Plastikbecher auf, doch gerade als Rachel vom Bett aufstehen wollte, damit Lisa ihrer Tochter den Saft geben konnte, klingelte das Telefon. Lisa - hielt Rachel den Becher hin. »Könnten Sie vielleicht...?«
»Aber sicher.«
Als Lisa gegangen war, half Rachel Emily, sich ganz aufzusetzen, und hielt ihr den Becher an die Lippen.
»Das kann ich selber.«
»Sicher kannst du. Du bist ja schließlich ein großes Mädchen.«
Das Kind umfasste den Becher mit beiden Händen und trank einen Schluck, dann gab sie ihn zurück.
»Kannst du nicht noch ein bisschen mehr trinken?«
Doch selbst diese kleine Anstrengung hatte Emily erschöpft, und ihre Lider begannen zuzufallen.
Rachel half ihr, sich wieder hinzulegen, und stellte den Becher auf dem Nachtkästchen inmitten eines Dschungels von Pillendöschen ab. »Ich hab einen Jungen. Er ist nur ein bisschen älter als du.«
»Mag er gern draußen spielen?«
Rachel nickte und ergriff die Hand des Kindes.
»Ich mag auch draußen spielen, aber ich darf nich‘, weil ich ‚kämie hab.«
»Ich weiß.«
Alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ausrotten, und als Rachel so in das blasse, kleine Gesichtchen des Mädchens blickte, ertappte sie sich dabei, wie sie einmal mehr auf einen Gott schimpfte, an den sie nicht länger glaubte. Wie kannst du so etwas zulassen? Wie kannst du
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