"Träume aus 1001 Nacht" 6
keinen Sinn.“
„Das sehe ich anders. Und offen gestanden scheint es mir keinen anderen Ausweg aus dieser Situation zu geben. Die zweite Möglichkeit wäre, Sie einzusperren, bis die Verhandlungen abgeschlossen sind. Würde Ihnen das besser gefallen? Sonst werden Sie wegen Spionage vor Gericht gestellt.“ Kharun erkannte, dass er dabei war, Sara zu überzeugen. Natürlich wollte sie ihren Eltern keine Sorgen bereiten. Und es wurde ihr wohl langsam klar, dass sie ernsthaft das Risiko einging, einige Jahre eingesperrt zu werden.
Unsicher fragte sie: „Es handelt sich nur um eine Verlobung, oder? Ich meine, Sie wollen mich doch nicht auch noch heiraten, oder?“
„Sicher, wir tun nur so, als wären wir ein Paar.“
Sara sah ihn lange an, dann sagte sie leise: „Unter diesen Umständen stimme ich dem Vorschlag zu.“
Bevor Kharun etwas antworten konnte, klingelte das Telefon. Während er den Hörer abnahm, blickte er Sara unverwandt an. Konnte er ihr wirklich trauen? Oder würde sie aus dem Land fliehen, sobald sie das Gefängnis verlassen hatte?
„Hallo, Kharun, hier ist Garh“, hörte er seinen Widersacher am Telefon. „Ich habe einige sehr interessante Gerüchte gehört über eine Amerikanerin, die wegen Spionage im Gefängnis sitzen soll.“
„Du täuschst dich, Garh. Offenbar sind deine Informanten nicht besonders gut informiert. Bei der jungen Dame handelt es sich nicht um eine Spionin, sondern um meine Verlobte.“
Es dauerte eine ganze Weile, bis Garh die Sprache wiederfand. „Deine Verlobte? Ich hatte nicht die geringste Ahnung, dass du heiraten wolltest. Dein Onkel hat niemals auch nur die geringste Andeutung gemacht. Wann habt ihr euch verlobt?“
„Vor einiger Zeit schon. Um die Trauerzeit nach dem Tod meines Vaters zu respektieren, haben wir das aber für uns behalten. Wir wollten noch ein wenig damit warten, aber da sie vor unserer Villa aufgegriffen worden ist, gehen wir jetzt an die Öffentlichkeit.“
„Klingt ja interessant. Ich habe nicht einmal gewusst, dass du Samuel Kinsales Tochter persönlich kennst, geschweige denn, um sie geworben hast.“ Das Misstrauen war nicht zu überhören. Es war besser, seinem Widersacher so wenig wie möglich zu verraten. Dabei hatte er erfahren, dass Garh wusste, bei wem es sich um die Gefangene handelte. Wie hatte er das herausgefunden? Kharun selbst hatte es doch erst von Sara erfahren.
„Wann wird Hochzeit gefeiert?“, fragte Garh.
„Wir haben noch kein Datum festgelegt.“
„Ach so.“
Kharuns Argwohn war geweckt. Er wusste, dass man Garh nicht über den Weg trauen konnte. Was dachte der gerissene Minister wohl?
„Vielleicht solltet ihr möglichst rasch Hochzeit feiern“, fuhr der andere fort. „Schließlich ist eine Verlobung schnell gelöst. Das wäre doch schade, findest du nicht auch?“ Kharun hörte den misstrauischen Tonfall aus Garhs Stimme genau heraus. Hatte der Minister seinen Plan schon durchschaut?
„Wir werden darüber nachdenken. Sobald es einen Termin gibt, werde ich es dich wissen lassen. Noch heute Abend kehren Sara und ich in die Hauptstadt zurück und treffen meine Familie.“ Mit diesen Worten legte er auf. Garh war gerissener, als er befürchtet hatte. Er musste etwas unternehmen, um das Misstrauen des Ministers zu besänftigen. Entschlossen drehte er sich zu Sara um und erklärte: „Ich habe den Plan geändert. Wir werden in Kürze heiraten.“
2. KAPITEL
Sara blickte aus dem Fenster der dunklen Limousine. Sie konnte kaum glauben, wie schnell sie die Kontrolle über die Situation verloren hatte. Neben ihr saß der Mann, der sie aus dem Gefängnis befreit hatte, doch sie vermied es, ihn anzusehen, um den Eindruck zu vermeiden, sie wolle etwas von ihm.
Über die Wüste hatte sich eine tiefe Dunkelheit gelegt. Hin und wieder sah man einen geheimnisvollen Schatten. Einmal erblickte sie die Lichter einer Oase. Am Straßenrand stand ein Kind, das mit weit aufgerissenen Augen dem Luxuswagen nachstarrte.
Als sie in die Stadt kamen, konnte Sara das Bild des armselig gekleideten Kindes einfach nicht vergessen. Sicher wusste sie, dass es überall auf der Welt einen Unterschied von Arm und Reich gab, doch hier war er besonders augenfällig.
Alles in der Stadt strahlte Wohlstand und Gesundheit aus. Doch nur wenig Kilometer entfernt lebte die Bevölkerung unter menschenunwürdigen Bedingungen. Was hielt wohl der fremde Mann an ihrer Seite davon? War es nicht seltsam, in eine Hochzeit einzuwilligen, ohne genau zu
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