Traeume aus der Ferne
auch meine Adresse«, hakte ich nach.
»So ist es«, war die knappe Antwort. Sie war wohl wirklich nicht zum Reden aufgelegt.
Wenige Minuten später parkte sie das Auto in der Einfahrt eines Einfamilienhauses. Ich folgte ihr zur Eingangstür, traute mich allerdings noch immer nicht, irgendwelche Fragen zu stellen.
Sie ignorierte die Türklingel und klopfte statt dessen leicht gegen die Tür. Sofort hörte man im Inneren des Hauses Schritte, und nach wenigen Augenblicken öffnete sich die Tür.
»Hallo«, begrüßte Kathrin die Fremde. »Schläft er?«
»Nein«, seufzte die Frau sichtlich erschöpft. »Aber kommt doch erst mal rein.«
»Oh, entschuldige, das ist Tina, eine . . . Arbeitskollegin und . . . Freundin«, stellte sie mich vor. »Und das ist Sonja.« Neugierig wartete ich auf den Beisatz. »Sonja ist meine Schwester«, kam auch prompt Kathrins Erklärung.
Nach der ausführlichen Begrüßung führte Sonja uns in ein kleines Zimmer am Ende des Flures. »Du hast Besuch, junger Mann.« Mit strahlenden Augen stürmte Kathrin auf das Kinderbettchen zu, in dem ein Baby lag.
»Hallo, mein Kleiner, wie geht es dir?« Vorsichtig griff sie nach dem Baby und schmiegte es eng an ihren Körper. Mir wurde ganz warm ums Herz bei diesem Anblick. Das war wieder diese sensible und zärtliche Frau, nach der ich mich zwei Wochen lang jede Sekunde gesehnt hatte.
»Kann ich euch allein lassen?« fragte Sonja ihre Schwester. »Ich müsste mich im Keller mal um die Wäsche kümmern.«
»Geh nur, ich passe so lange auf ihn auf.« Kathrin wirkte richtig vernarrt in den Kleinen.
»Komm mit ins Wohnzimmer«, forderte sie mich auf.
Kaum hatte ich auf der Couch Platz genommen, drückte sie mir das Baby in den Arm. »Steht dir gut«, lächelte sie mich an. Sie hatte ihre Hand auf dem Arm des Kleinen liegenlassen und berührte dabei, wohl kaum zufällig, auch meinen Arm.
»So, nun kannst du nicht so einfach davonlaufen«, stellte sie zufrieden fest. Ich ignorierte ihren Kommentar, blickte stur das Baby an.
»Ich vermute, du bist böse, weil ich ans Telefon gegangen bin an jenem Abend, aber so ganz kann ich dein Verhalten nicht nachvollziehen.« Ich spürte, wie schwer es ihr fiel, mit mir über diesen Abend zu reden. Es wühlte sie auf, doch sie ließ nicht locker. »Warum hast du mir nicht die Chance gegeben, dir zu erklären, wie wichtig dieser Anruf für mich war?«
»Hör zu, Kathrin. Ich weiß, wieviel dir deine Arbeit bedeutet, und ich will darüber auch gar nicht diskutieren. Aber ich . . . ich hab’ das schon mal durchgemacht. Ich hatte eine Beziehung mit einer Frau, die mich vor lauter Arbeit kaum wahrnahm. Und das möchte ich einfach nicht noch einmal. Um ehrlich zu sein, möchte ich überhaupt keine Beziehung mehr. Dieses ganze Getue um Romantik und so, das ist doch einfach nur lächerlich!«
»Aber . . . warum hast du mich dann geküsst? Wolltest du nur eine Nacht mit mir? Eine Affäre?«
»Nein«, antwortete ich entrüstet. »Ich will einfach . . .« Tränen brannten in meinen Augen. »Was . . . was soll das alles hier mit dem Baby und deiner Schwester?«
»Der kleine Mann hier heißt Leon und wird am Samstag zwei Wochen alt.«
»Und?« Ich konnte mit dieser Aussage nichts anfangen.
»Meine Schwester hat schon einen Sohn. Tim, der ist fünf Jahre alt. Bei seiner Geburt gab es Komplikationen, meine Schwester wäre damals beinahe gestorben. Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie groß meine Angst vor Leons Geburt war?«
Ich nickte betroffen.
»An dem Samstag, als du bei mir warst, war sie schon drei Tage über dem Termin. Mein Schwager hatte mir versprochen, mich sofort anzurufen, wenn er meine Schwester ins Krankenhaus bringt. Und dieser Anruf erreichte mich am Samstag Abend, gerade, als wir uns küssten. Aber was hätte ich denn tun sollen? Ich habe auf diesen Anruf gewartet, und als ich die Nummer von meinem Schwager im Display sah . . . es hätte doch auch . . . etwas Schreckliches passiert sein können bei der Geburt.«
Nun war Kathrin diejenige, die Tränen in den Augen hatte.
»Ich . . . ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Du musst nichts sagen. Ich wollte einfach, dass du es weißt. Unter normalen Umständen hätte mich in diesem Augenblick nichts und niemand von dir lösen können. Aber . . .«
»Ja, ich verstehe dich ja. Deshalb hast du am Telefon zu diesem Mike auch gesagt, dass du die nächsten zwei Wochen nicht auf Geschäftsreise kannst.« Ich kam mir
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