Traeume aus der Ferne
die nächsten Zweifel kamen. »Und wenn ich keinen Empfang habe, dort am See?«
Resignierend stapfte ich die Treppen wieder nach oben, ging in meine Wohnung und setzte mich mit mürrischem Gesicht vor das Telefon.
Eine halbe Stunde später starrte ich es immer noch wütend an. Inzwischen hatte ich mehrere Versuche unternommen, Kathrin auf ihrem Handy zu erreichen, doch da war nichts zu machen. Ob sie mich wirklich längst vergessen hatte? Ging ihr alles zu schnell? Oder erinnerte sie sich wieder an mein kindisches Verhalten wegen ihrer Arbeit? Ich hätte die Wände hochgehen können, so sehr zermürbten mich diese Fragen.
Endlich! Es klingelte! Nach dem ersten Läuten nahm ich den Hörer ab und meldete mich freudig erregt. »Hallo?« Aber aus dem Telefon dröhnte mir nur das Freizeichen entgegen. Verwirrt starrte ich den Hörer an. Hatte ich mir das Klingeln nur eingebildet? Nein, da läutete es erneut, und diesmal erkannte ich auf Anhieb, dass es die Türglocke und nicht das Telefon war.
Bestimmt meine Nachbarin, die sich darüber beschwerte, dass ich die Hausordnung mal wieder nicht ordentlich genug erledigt hatte.
»Bist du startklar?« Kathrin strahlte mich an. Sie wirkte etwas außer Puste, aber sehr glücklich. Sie zauberte mit einer geschickten Handbewegung eine rote Rose hinter ihrem Rücken hervor, und mit einem Schlag waren all meine Zweifel und Ängste wie weggeblasen. Es gab bestimmt einen plausiblen Grund, warum sie mich so lange hatte warten lassen. Doch um den herauszufinden, war später noch genug Zeit. Glücklich fiel ich ihr um den Hals, küßte ihre roten Wangen, klammerte mich noch fester an sie und wollte sie nie wieder gehen lassen.
»Ich hab dich auch vermisst«, flüsterte Kathrin mir amüsiert ins Ohr.
Ich zog sie aus dem Hausflur in meine Wohnung, gab der Tür einen Stoß und lächelte Kathrin an. »Du ahnst nicht, wie sehr ich dich vermisst habe!« Schüchtern, als wäre es das erste Mal, suchten meine Lippen nach Kathrins Mund. Doch sobald ich den vertrauten Geschmack auf den Lippen hatte, wurde aus einem vorsichtigen Kuss eine leidenschaftliche Liebeserklärung.
»Wow«, sagte Kathrin, als wir uns voneinander lösten. Wir schauten uns sekundenlang verliebt in die Augen, streichelten uns dabei zärtlich. Dann räusperte Kathrin sich. »Möchtest du nicht die Rose ins Wasser stellen? Wir sollten langsam los.«
Ich war zwar davon ausgegangen, dass wir den Abend hier verbringen würden, nachdem Kathrin bei mir aufgetaucht war. Aber ich hatte natürlich nichts dagegen, mit zu ihr zu gehen.
»Moment«, sagte Kathrin, als sie den Wagen in ihrer Einfahrt abstellte. Sie stieg aus, sprintete um das Auto und öffnete mir die Tür.
»Sehr aufmerksam.« Ich schenkte ihr einen anerkennenden Blick, doch sie wirkte wie schon die ganze Fahrt über gehetzt und unruhig. Mit langen Schritten war sie bereits an der Eingangstür angekommen.
»Hereinspaziert«, gab sie sich nun betont fröhlich. Langsam machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit. Was war mit ihr los? So aufgewühlt und fahrig hatte ich sie noch nie erlebt. Würde sie mir jetzt gleich von einer Affäre während ihrer Weiterbildung erzählen? Oder irgendein dunkles Geheimnis auskramen?
Ich atmete tief durch, als wollte ich mir etwas Mut und Kraft in die Lunge pumpen, dann betrat ich mit Bauchschmerzen die Wohnung.
Kathrin zog ihre Schuhe aus und warf sie in die Ecke. Ich tat es ihr gleich, wobei ich meine sorgfältig neben den Schuhschrank stellte.
Nervös zupfte Kathrin an ihrem Ohr. Diese Geste kannte ich von unserer gemeinsamen Arbeit an besonders kniffligen Formularen. Das machte sie immer dann, wenn sie extrem angespannt und hilflos war. Langsam bekam ich es wirklich mit der Angst zu tun.
»Dann wollen wir mal«, sagte sie zu sich selbst und öffnete die Wohnzimmertür.
Ich zählte leise bis fünf und folgte ihr dann. Was ich sah, warf mich aber beinahe rückwärts wieder aus dem Raum. Der Anblick war überwältigend. Sie hatte den ganzen Raum mit Kerzen und Teelichtern beleuchtet, an verschiedenen Stellen im Zimmer standen riesige Blumensträuße mit roten Rosen. Der Tisch war feierlich gedeckt, und sie hatte ihn so gedreht, dass wir beim Essen den Blick auf den See genießen konnten.
»Ich . . . also das ist . . . wunderschön«, stammelte ich. Kathrin hatte mich die ganze Zeit ängstlich beobachtet. Befürchtete sie, dass es mir zu kitschig war? Sie legte ihren Arm um meine Schulter, und ich schmiegte mich
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