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Traeume Suess, Mein Maedchen

Titel: Traeume Suess, Mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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sich wie die Kaninchen. Das war okay, solange man es mit einem naiven und vertrauensseligen Menschen wie Lily zu tun hatte, der so ziemlich alles glaubte, was man sagte. Aber wenn man die gleichen Lügen jemandem erzählte, der so abgebrüht war wie Jan Scully oder so routiniert wie Jeff Dawson, forderte man den Ärger geradezu heraus. All die Fragen, die er ihr gestellt hatte. Und seinem Gesichtsausdruck nach hatten ihn ihre Antworten alles andere als überzeugt. »Mist«, sagte sie, schwang ihre Füße aus dem Bett, ging zum Kleiderschrank, zog den ramponierten braunen Leinenkoffer
heraus und warf ihn aufs Bett. Sie musste von hier weg, dachte sie, als sie den Koffer aufklappte und eilig begann, Kleidung hineinzuwerfen. Sie würde nicht lange brauchen, um zu packen. Viele Sachen hatte sie auch mit ihren »Neuerwerbungen« nicht, und Dylan hatte sogar noch weniger. Rasch leerte sie die Schubladen ihrer Kommode und zog Kleider von den Bügeln. In nicht einmal zwanzig Minuten hatte sie jedes Kleidungsstück, das sie besaß, eingepackt, bis auf den blauen Schlafanzug, den sie anhatte. »Na, das war schlau«, murmelte sie, als ihr klar wurde, dass sie sich nichts zum Anziehen herausgelegt hatte.
    Und wohin wollte sie überhaupt gehen?
    »Irgendwohin«, sagte sie und zog eine Jeans und einen blauen Pulli aus dem Koffer. Unterwäsche war schon schwerer zu finden, sodass sie den Koffer letztendlich beinahe ganz wieder auspacken und die Sachen dann erneut falten musste. »Irgendwo anders als hier.« Sie besaß vielleicht nicht viel, aber sie hatte immer noch ihren Instinkt, und ihr Instinkt sagte ihr, dass es Zeit wurde, ihre Verluste abzuschreiben und das Weite zu suchen, weil sie hier in der Mad River Road nicht mehr sicher war.
    Aber ihre Miete war immerhin bis Ende des Monats bezahlt, dachte sie, ließ sich aufs Bett sinken und wurde mit einem Mal von Erschöpfung übermannt. Wenn sie mitten in der Nacht aufbrach, musste sie alle Möbel und die anderen Sachen zurücklassen, und sie hatte nicht genug Geld, um sich neue zu kaufen, nicht einmal gebraucht. Und wie konnte sie Dylan kurz vor Ende des Schuljahres aus der Schule nehmen? Hatte sie nicht gerade wach gelegen und sich daran erinnert, wie schmerzhaft es war, ständig entwurzelt zu werden? Hatte sie ihre Mutter nicht deswegen gehasst? Wollte sie, dass Dylan sie auch hasste?
    »Mist«, sagte sie noch einmal, schob den Koffer vom Bett und sah zu, wie sich all ihre Kleider auf den Boden ergossen. Sie konnte nicht weggehen. Und sie wollte eigentlich auch
gar nicht. Nein - sie wollte vielmehr neu anfangen. Morgen früh würde sie Lily die Wahrheit sagen, über alles, und sie hoffte, dass Lily sie verstehen und ihr verzeihen würde. Und dann würde sie zu Scully’s gehen, die blöde Trophäe zurückbringen, die sie gestohlen hatte, und sich bei Jan entschuldigen. Wenn sie sich in ein paar Monaten sicher fühlte, würde sie Dylan vielleicht sogar erlauben, seinen richtigen Namen zu benutzen, und sich selbst auch. Dann würden sie einen Neuanfang machen, indem sie ihr früheres Ich zurückbeanspruchten. Und sie würde die Frau hinter all den Lügen wiederentdecken.
    Emma legte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Das Ganze hatte nur einen Haken, dachte sie: Sie hatte keine Ahnung, wer diese Frau war.
     
    Lily drehte sich auf die andere Seite und öffnete die Augen. Vom Kopfkissen neben ihrem lächelte Jeff Dawson sie an. Sie fragte sich, wie lange er sie schon beobachtet hatte, als er sie wortlos an sich zog und sie sich in seine Arme schmiegte.
    »Was zum Teufel glaubst du, was du tust?«, wollte Kenny vom Fußende des Bettes wissen. »Er ist ein Verlierer, Herrgott noch mal. Steig aus, solange du noch kannst.«
    Lily hielt die Luft an und fuhr im Bett hoch, während ihr Blick im Dunkeln nach den Männern suchte, von denen sie wusste, dass sie nicht hier waren. Jeff lag nicht neben ihr; Kenny brüllte sie nicht vom Fußende an. »Gütiger Gott«, sagte Lily, hörte ein Motorrad, das sich knatternd entfernte, und fragte sich, ob dieses gespenstische Geräusch Kenny in ihren Traum geführt hatte.
    Außerdem fragte sie sich, was Kenny von Jeff Dawson gehalten hätte. Hätte er ihn wirklich für einen Verlierer gehalten oder ihn vielleicht sogar gemocht?
    »Ich mag ihn«, flüsterte sie leise, als hätte sie Angst, den Worten zu viel Widerhall zu geben. Habt ihr beide irgendwas laufen, hatte Emma gefragt, als sie sie zum ersten Mal
zusammen gesehen hatte. Natürlich

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