Trattoria Finale
verdrehte die Augen. »Die Alten spinnen doch! So etwas dürfte es gar nicht geben.«
»Sehe ich auch so. Irgendwo muss es eine Grenze geben. Und du hast immer noch daran geglaubt, dass Ettore sich nach so vielen Jahren irgendwann doch für dich entscheidet?«
Basilica schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Andererseits – ach, was weiß ich. Schwul ist schwul, ich hätte es besser wissen müssen! Immer schon. Jetzt stehe ich da, habe diesem verrückten Mafioso so lange die Treue gehalten, und nun das!«
»Wir Frauen sind es doch gewohnt, von diesen Kerlen irgendwann einen Tritt zu bekommen«, knurrte Aglaia. »Du weißt das besser als ich. Wenn wir das Heft nicht in die Hand nehmen, gehen wir vor die Hunde. Ich mit Trigorin und du mit Violenza.«
»Da magst du recht haben, Kindchen«, seufzte die alte Sizilianerin, der man plötzlich ihre neunzig Jahre ansehen konnte. »Ich bin mit Ettore aufgewachsen, war immer für die Violenzas da. Basilica war der gute Geist, Freundin, Zweitfrau, Köchin, Haushälterin, eben Mädchen für alles. Meine Mutter ist im Dienste dieser Familie gestorben, und mir wird das nicht passieren, das schwöre ich dir!«
»Und wie willst du das anstellen? Du hättest etwas Besseres verdient.« Aglaia trat ganz nah an Ornella heran und strich ihr über den Kopf. Sie löste das Haarband, ordnete die langen silbernen Strähnen mit geschickten Fingern und befestigte das Band neu.
»Was weiß denn ich? Bin nur eine alte Frau, die ihr Leben dem falschen Mann geopfert hat. Gegen Ettore und Jacques kann ich nichts ausrichten. Die beiden halten zusammen wie Pech und Schwefel am Arsch des Teufels.«
»Nicht doch.« Aglaias Stimme hatte nun nichts Tröstliches mehr. »Du hast große Macht über die beiden. Du weißt viel, kennst doch sicherlich alle ihre Geheimnisse, ihre Schwächen. Und die beiden haben viele mächtige Feinde, verstehst du?«
»So?« Ornella wischte sich eine Träne aus dem Auge. »Ich weiß nicht, ob ich dich recht verstehe.«
Aglaia lachte trocken. »Du musst wissen, was du willst. Ich würde mir so eine Behandlung nicht gefallen lassen. Teller werfen bringt da eher nicht so viel.«
»Und du?«, fragte Ornella zurück. »Du bist Trigorins Hürchen. Glaubst du denn, du könntest tun, was du willst? Glaubst du, die kleine Nutte Aglaia hätte Macht?«
Die junge Russin zuckte bei diesen Worten nicht einmal mit einer Augenbraue. Sie lächelte nur und entgegnete: »Ich glaube es nicht. Ich weiß es. Das habe ich dir schon einmal zu erklären versucht. Es gibt Dinge an mir, die ich feilbiete. Nun gut. Aber es gibt andere Dinge, die ich hüte wie einen Schatz. Und diese Dinge geben mir Macht.«
»Was wäre denn das zum Beispiel?«
»Zum Beispiel weiß ich, wie ich Kostja Trigorin seinen Gegnern ausliefern könnte. Wenn er mir einmal so richtig blöd kommen sollte oder er mich fallen lassen will, liefere ich ihn ans Messer, wie es mir beliebt.«
»Das möchte ich sehen.«
»Und ich möchte sehen, wie Ettore Violenza dumm aus der Wäsche schaut, wenn er merkt, dass du ihn übertrumpft hast.«
Basilica sah Aglaia ernst an. »Was liegt dir daran? Was hast du mit Ettore, Jacques und mir zu schaffen?«
»Wir sind beide Frauen, die sich scheinbar mächtigen Männern unterordnen und die doch ihren ganz eigenen Kopf haben«, antwortete die Russin kühl. »Glaubst du immer noch, ich wäre nichts weiter als die Gespielin eines russischen Mafioso?«
»Und du glaubst, ich wäre mehr als die Haushälterin eines italienischen Mafioso?«
»Es kommt nicht darauf an, was ich glaube. Aber wenn du mich so fragst: Ja, ich sehe mehr in dir. Schau nur, du bist neunzig Jahre alt und wirfst Teller wie eine Zwanzigjährige.«
Die Sizilianerin musste lachen, und Aglaia stimmte in das Lachen Basilicas ein. Dann meinte die Russin beiläufig: »Da ist doch dieses Buch.«
»Welches Buch?«
»Na ja, du weißt schon. Die beiden plaudern doch das ganze Wochenende schon aus dem Nähkästchen. Und alle wissen, dass sie dieses Buch geschrieben haben, in dem ihre Aufträge beschrieben sind. Mit allen Namen, allen Fakten, allen Verbindungen, Opfern, Auftraggebern.«
»Ja, dieses Buch gibt es.«
»Na also. Wer dieses Buch besitzt, hat Macht. Wissen ist Macht. Und viele haben Angst vor diesem Buch. Hast du Zugriff darauf?«
»Natürlich nicht«, sagte Ornella lauter als sie es wollte.
»Dann besorge es dir. Hast du dieses Buch, kannst du haben, was du willst. Auch Ettore.«
Ornella schüttelte den Kopf.
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