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Trauerspiel

Trauerspiel

Titel: Trauerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
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kuschelte sich in die vertraute Höhle. Zumindest diese kleine, verletzliche und doch so vertraute Geborgenheit durfte ihr niemand nehmen.
    * * *
    Der Brief war am Montag im Polizeipräsidium angekommen. Der Erkennungsdienst hatte ihn schon bearbeitet, Tanja und Arne trugen trotzdem Handschuhe, vielleicht auch, weil der Inhalt des Schreibens einfach zu ekelhaft war, als dass man das Papier gerne mit bloßen Händen angefasst hätte.
    «An die zuständige Polizei», stand als Überschrift mittig auf dem Blatt.
    «Julia war eine Schlampe. Sie hat jeden gevögelt, der sie vögeln wollte. Fragen Sie doch mal ihren kleinen Schulfreund und am Theater. Julia war nicht die Unschuld vom Lande, wie sie immer tat, sie war eine Schlampe, die es mit jedem trieb und nichts anderes verdient hat.
    Ein anständiger Mitbürger»
    «Ziemlich eklig», meinte Arne.
    «In der Tat!» Tanja schüttelte sich. «Trotzdem – wir müssen schon recherchieren, auf was dieser Schmutzfink anspielt. Da waren wir aber sowieso schon dran. Worum geht es diesem Kerl eigentlich? Und wer ist er?»
    «Er will Julia schlechtmachen, das ist ja mal klar, vielleicht war er selbst scharf auf sie und hat sie nicht bekommen?»
    «Also nach allem, was Susanne über das Mädchen erzählt, war sie eher ein ernsthafter Typ, da passt das gar nicht.»
    «Vielleicht will unser Schreiberling einfach Zweifel säen, oder er weist uns auf etwas hin, das wir bislang übersehen haben.»
    «Also müssen wir im Theater noch einmal genauer nachfragen, da bleibt uns wohl nichts anderes übrig.»
    «Ja, sicher. Das war sowieso überfällig. Mir ist auch aufgefallen, dass sich dieser Braun nicht gemeldet hat. Ich glaube, das war der Braun, der den Otello inszeniert hat. Ich finde das schon merkwürdig, dass er nicht zurückgerufen hat. Aber das Theater steht sowieso noch auf unserer To-Do-Liste. Da gehen wir heute ran.»
    «Passt», meinte Arne.
    «Warum passt?», fragte Tanja irritiert.
    «Weil Montag bei Theaterns, wie bei Friseurens und bei Pfarrers, freier Tag ist. Jedenfalls meistens. Wir könnten also eine Chance haben, Herrn Braun zu Hause anzutreffen.»
    Tanja applaudierte Arne. «Kompliment, ich hatte doch glatt vergessen, dass du mein Kulturbeauftragter bist. Meinst du übrigens, der Schreiberling dieses üblen Wischs will uns tatsächlich Tatsachen verkaufen? Ist das überhaupt einer, der Bescheid weiß oder ein typischer Trittbrettfahrer?»
    «Weißt du, was ich glaube?»
    Tanja schüttelte den Kopf.
    «Entweder ist es so ein mieser Zeitgenosse, der mit hechelnder Zunge seinen Mitmenschen hinterher spioniert, oder…» Arne zögerte.
    «Was ‹oder›?», fragte Tanja.
    «Oder es ist der Mörder.»
    * * *
    Susanne hatte gerade ihren Religionsunterricht beendet. Die Racker aus der 4. Klasse wussten genau, wie sie ihre Pfarrerin um den Finger wickeln konnten. Eine schlaue Frage reichte, und Frau Hertz´ Augen leuchteten voller Vorfreude, eine komplizierte Erklärung kindgerecht aufzubereiten. Susanne mochte Kinder, und sie fand, dass es nichts Schlimmeres gäbe, als Kinder verdummen zu lassen oder ihre Fragen nicht ernst zu nehmen.
    «Was ist dumm?», war daher ihre Standardfrage in jeder Klasse.
    «Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten», brüllten die Schüler dann im Chor.
    Manchmal schien es Susanne, als ob sich die Kinder abgesprochen hätten, welches gewitzte Kerlchen oder Mädchen im Verlauf der 50 Minuten Religionsunterricht eine kluge Frage stellen sollte, woraufhin der geplante Ablauf der Stunde immer sehr ins Strudeln geriet. Susanne lief zu voller Form auf, die Klasse ließ die Füller fallen und grinste sich verschwörerisch zu. Das entsprach zwar nicht ganz dem Lehrplan, aber ohne es zu merken, lernten die Kinder dabei eine Menge über Bibel, Theologie und Kirchengeschichte. Heute hatte ein Lockenkopf mit großen, braunen Augen die Frage gestellt: «Wenn Jesus zu Gott gebetet hat, dann gibt es doch eigentlich zwei Götter, denn Jesus war doch auch Gott, oder?» Diese Frage war natürlich ein Volltreffer gewesen. Susanne hatte sich richtig in Fahrt geredet, von der Hausaufgabenüberprüfung, die sie eigentlich schreiben lassen wollte, war keine Rede mehr gewesen und Jannis hatte, als sie gerade nicht hinschaute, der Klasse ein triumphierendes Handzeichen gegeben. Sie grübelte noch über alternative Erklärungsmöglichkeiten zu Jannis' Frage nach, als sie ins Sekretariat ihrer Gemeinde stolperte. Sie würde sich nie an die Stufe vor der

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