Trauerspiel
ist Ihnen zu verdanken. Darf ich noch ein Anliegen äußern?» Susanne nickte. «Selbstverständlich».
Michael Berger gab ihr seine Karte. «Ich bin ja Journalist und arbeite gerade an einer Serie zum Thema ‹Werte›. Was hilft Menschen im 21. Jahrhundert, ein gutes, sinnvolles Leben zu führen? Welche Werte zählen heute? Gibt es eine Rückbesinnung auf die alten Werte? Wären Sie eventuell, wenn Ihre Zeit reichen würde, dazu bereit, mich zu beraten oder sogar bei einzelnen Sendungen mitzuwirken?»
Susanne merkte, wie sie rot wurde. Sie sollte eine journalistische Serie über das Thema ‹Werte› beratend begleiten?
«Ich bin aber keine ausgewiesene Ethikerin», meinte sie. «Wenn Sie einen guten Professor für Ethik suchen, dann kann ich Ihnen gerne einige Namen nennen.»
«Nein, nein», wehrte Michael Berger lächelnd ab. «Ich brauche keinen Wissenschaftler, sondern einen Menschen, der mitten im Leben steht und mit den Menschen und ihren Sorgen und Fragen unmittelbar in Kontakt ist. Und ich glaube, nein, ich bin eigentlich ganz sicher, dass Sie ein solcher Mensch sind. Darf ich Sie anrufen, wenn ich meine nächste Sendung plane?»
Susanne fühlte, wie gemischte Gefühle in ihr hochstiegen. War sie geeignet, konnte sie das eigentlich? Aber – wenn Berger meinte, er könne ihre Meinung und ihre Kenntnisse gebrauchen – warum eigentlich nicht?
«Gerne», antwortete sie. «Sie können mich gerne anrufen. Und – ich bin gespannt auf Ihre Serie, ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Thema.»
Michael Berger lächelte. «In der Tat. Was gibt es heute Wichtigeres, als zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können? Ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft.Wenn die Beerdigung von Julia überstanden ist, werde ich Sie anrufen.»
* * *
Arne sichtete die bisherigen Ergebnisse.
«Wir müssen die Theaterleute kontaktieren, also diesen Braun, und dann steht auch noch ein Gespräch mit Katharina aus. Die hat noch nicht zurückgerufen. Aber unsere Freunde von der Technik haben einiges herausgefunden: Katharina Gutmann, wohnhaft in der Hauptstraße in Mombach. Die gilt es also auch noch anzurufen. Und, so bitter es für den Jungen wird, Maximilian ist ebenfalls noch einmal fällig. Schaffen wir das an einem Montagnachmittag, Frau Kollegin?»
Tanja nickte. «Wer wagt, gewinnt. Am liebsten wäre mir, wir könnten mit Max anfangen, der scheint mir ein schwaches Glied in der Kette zu sein. Die anderen haben sich ja noch nicht einmal gemeldet, obwohl Julias gewaltsamer Tod in allen Zeitungen stand. Also, auf zur Frankenhöhe!»
In diesem Moment klingelte das Telefon. Arne griff zum Hörer. Nach einem kurzen Moment drückte er auf die Taste, damit Tanja mithören konnte.
«Mit wem spreche ich bitte?»
«Katharina Gutmann, das habe ich doch schon gesagt», klang eine etwas schnippische junge Stimme aus dem Hörer. «Ich war mit Freunden in Porto und habe meine Mailbox nicht abgehört, ist ja viel zu teuer aus dem Ausland. Wenn Sie noch mal wollen, dass sich jemand schnell zurückmeldet, dann schicken Sie besser ´ne SMS.»
«Ja, danke für den Hinweis», antwortete Arne trocken. Aber an Katharina Gutmanns Tipp war tatsächlich etwas dran. «Frau Gutmann, wissen Sie, warum wir Sie sprechen wollten?»
«Nein, keine Ahnung, aber Sie werden's mir bestimmt gleich sagen.»
«Kennen Sie Julia Moll?»
«Klar, sie wollte eigentlich mit nach Porto, aber da sie nicht am Bus war, der zum Flughafen fuhr, schätze ich mal, dass sich ihre Eltern quergestellt haben. Typisch, dabei ist Julia doch fast 18. An ihr Handy ist sie nicht gegangen.»
«Da konnte sie auch nicht drangehen. Frau Gutmann, wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Freundin ermordet wurde. Wir haben im Zusammenhang mit diesem Mord dringend einige Fragen an Sie. Können Sie ins Präsidium kommen?»
«Ich komme sofort», antwortete Katharina Gutmann leise. Und ihre Stimme klang überhaupt nicht mehr schnippisch.
* * *
Die junge Frau hatte lange rotblonde Haare, die sie in Rastalocken gedreht und mit einem blauen Tuch zusammengebunden hatte. Sie trug eine weite rote Stoffhose, ein lila T-Shirt und eine bunte Weste, die mit Perlen und Münzen bestickt war.
«Ganz schön farbenfroh», dachte Tanja, aber froh war ein Ausdruck, der gerade überhaupt nicht zu Katharina Gutmann passte. Ihre Augen waren rot und geschwollen und ihr hübsches, blasses, rundes Gesicht mit der sommersprossenübersäten Stupsnase schien fleckig vom Weinen.
«Jetzt hat er sie
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