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Trauerspiel

Trauerspiel

Titel: Trauerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
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Traumfleck zu finden war. Man musste ein bisschen durchs Gestrüpp, und bei Hochwasser war er nicht zu erreichen, aber sonst einfach ein wunderbares Refugium ganz für Susanne allein. «Ich arbeite jetzt für den Sonnenuntergang», schwor sie sich. «Und ich werde mich von gar nichts ablenken lassen, es sei denn, jemand stirbt. Das Handy stelle ich auch ab, keine SMS.»
    Gerade hatte sich Susanne überlegt, wie sie ihren Viertklässlern den Unterschied zwischen evangelisch und katholisch näher bringen konnte (auf jeden Fall würde sie mit den Kindern die St. Johanniskirche, den ersten Dom von Mainz, besuchen), als das Telefon klingelte.
    «Einsatzleitstelle, spreche ich mit Pfarrerin Hertz?», schnarrte es aus dem Hörer. «Wir haben einen Notfall, ein Junge ist im Rhein ertrunken, wir brauchen einen Seelsorger.»
    «Ich habe gerade keine Notfallseelsorge», antwortete Susanne, «aber ich alarmiere gerne die Kollegen für Sie.»
    «Zwecklos», kam es wie entfernt aus dem Hörer. «Wir erreichen Ihre Kollegen nicht, wir wissen auch nicht, was los ist, wahrscheinlich eine Störung der Handys, und Sie sind die erste Pfarrerin nach unzähligen Anrufbeantwortern, die wir persönlich an den Apparat bekommen. Können Sie zum Zollhafen kommen? Die Mutter ist völlig verzweifelt.»
    Susanne sicherte ihren Unterrichtsentwurf im Computer. Ihre Begegnung mit dem Rhein hatte sie sich heute eigentlich anders vorgestellt – aber, so war eben das Leben als Dienerin des HERRN.
    «Ich mache mich gleich auf den Weg. Wo finde ich die Mutter?»
    «Danke, Frau Pfarrer. Wir sind im alten Zollhafen. Am besten fahren Sie die Rheinallee und dann hinter dem Feldbergplatz rechts rein zum Hafen. Parken Sie, wo Sie wollen, das spielt jetzt keine Rolle, und gehen Sie ruhig ins Gelände, Sie sehen dann schon die Einsatzfahrzeuge. Können wir uns darauf verlassen, dass Sie sofort kommen?»
    «Ich komme sofort», versicherte Susanne. Schon war die Verbindung zur Einsatzleitstelle unterbrochen. Sie suchte ihre Notfallseelsorgeweste aus dem Schrank, griff sich ihre Handtasche und war schon fast aus der Tür, als das Telefon wieder klingelte.
    «Welche Informationen haben die denn noch?», fragte sich Susanne und kehrte in die Wohnung zurück. «Pfarrerin Hertz, St. Johannis», meldete sie sich.
    «Frau Hertz, hier spricht Dr. Kremer, frisch zurück aus Kreta.»
    «Dr. Kremer, ich bin gerade auf dem Sprung…»
    «…Und da wollte ich Ihnen gleich erzählen, wie begeistert ich von der kompetenten und engagierten Art der Studiosus-Führung war, eine junge Dame, aber fachkundig, man würde sich manchen Pfarrer hier so wünschen…»
    «Herr Dr. Kremer, ich muss los, weil …»
    «Das ist ja meiner Ansicht nach ein Grundproblem der heutigen Theologengeneration, dass sie keine Zeit hat und immer auf dem Sprung ist. Karl Barth hat sich nicht so het zen lassen, damals in seiner Zeit als Pfarrer in Safenwil, der hat sich Zeit genommen für seine Predigten …»
    «Herr Dr. Kremer, ein Notfall!»
    «… und als Notfall galt nur, wenn ein Mensch im Sterben lag, alles andere wurde dem Studium und der Exegese untergeordnet. Das Ergebnis sehen Sie ja. Barths Predigten sind heute noch lesenswert, kann man das von den aktuellen Verkündigungen so sagen? Ich habe meine Zweifel, ob…»
    «Herr Dr. Kremer, ich muss zu einem Todesfall…»
    «‹Tot› ist eben nicht ‹im Sterben liegen›, ich glaube, da müssen Sie noch einiges lernen, Frau Pfarrerin Hertz. ‹Lasst die Toten ihre Toten begraben›, sagt Jesus. Und das Wort unseres HERRN sollte auch für heutige Pfarrerinnen und Pfarrer doch letztgültige Bedeutung haben.»
    Susanne war schon gerade dabei, sich in ihr Schicksal zu ergeben und die Suada von Kremer über sich ergehen zu lassen, als sie spürte, wie eine unbändige Wut in ihr hochstieg. Wieso ließ sie sich eigentlich von diesem verbohrten Typen daran hindern, ihre Pflicht als Pfarrerin zu erfüllen und eine trauernde Mutter zu trösten?
    * * *
    Tanja und Arne waren gerade dabei, das Präsidium zu verlassen, um die Durchsuchung der Villa zu beaufsichtigen, als Arnes Handy klingelte.
    «Wir sollen uns eine Meldung anhören, die gerade eingegangen ist», informierte er Tanja.
    Beide kehrten zurück. «Hören Sie mal, das kam gerade an, aus einer öffentlichen Telefonzelle, ich dachte, das passt doch zu Ihrem Fall», meinte der diensthabende Beamte in der Telefonzentrale und drückte auf die Wiedergabetaste.
    «Hier spricht Susanne Hertz», kam Susannes

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