Traumfrau mit Geheimnis
„Es ist noch nicht mal zwölf. Die Gäste kommen um eins, richtig?“
Sie nickte. „Die meisten treffen allerdings etwas früher ein, um im Garten spazieren zu gehen, das Haus anzuschauen oder auf der Veranda zu sitzen. Hämmern und Fluchen stört die Atmosphäre etwas.“
„Ich dachte nicht, dass jemand mich hört. Tut mir leid.“
„Das Haus ist ziemlich hellhörig. Machen Sie sich deswegen keine Gedanken.“ Sie blickte an ihm vorbei. „Wenn ich den dritten Stock renoviere, das Geländer wieder sicher ist und ich die Räume einrichte, können wir diesen Teil des Hauses auch für Gäste öffnen. Ich dachte daran, ein paar der alten Schlafzimmer zu einem Aufenthaltsraum zu machen. Dann könnte ich den Stock hier oben sogar für kleine Partys oder Events nutzen.“
Dean legte den Hammer vorsichtig ab. Obwohl er sich große Mühe gab, wirkte er nicht im Geringsten wie ein Handwerker. Sein Haarschnitt war zu akkurat, die Jeans und Arbeitsstiefel zu neu, das T-Shirt mit dem Black & Decker-Logo hatte keinen einzigen Fleck.
Und sein glatt rasiertes Gesicht zeigte nicht eine einzige Bartstoppel.
„Sind Sie heute wieder als Gastgeberin eingesetzt?“, wollte er wissen.
Reva schüttelte den Kopf.
„Wunderbar“, sagte Dean leise. Seine tiefe Stimme sandte einen wohligen Schauer über ihren Rücken. „Dann essen Sie doch mit mir.“
Es war bereits nach eins, als Reva wieder in den dritten Stock stieg. Bis hier drangen die Geräusche des Restaurants kaum noch, und sie ließ das Geschirrklappern, die Gesprächsfetzen und das gelegentliche Gelächter gern hinter sich.
Dean nahm ihr die beiden Teller aus der Hand und trug sie in eins der Schlafzimmer, wo bereits ein Krug mit Eistee und zwei Gläser warteten. Er war froh, dass kein Bett in dem Raum stand, sondern nur eine antike Kommode, ein paar rostige Farbeimer und eine seltsam geformte Couch, die Reva eine Chaiselongue nannte. Ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen stand davor, an dem sie essen würden.
Es war die perfekte Gelegenheit, um sie über Eddie Pinchon auszuhorchen. Eigentlich hätte er lieber über andere Dinge gesprochen und sie zum Lachen gebracht, aber das war ja nun mal nicht sein Job.
Heute gab es Roastbeef, Gemüse und Kartoffelpüree. Nachdem er die bis zum Rand gefüllten Teller abgestellt hatte, rückte Dean für Reva einen Stuhl zurecht. Überrascht setzte sie sich. Dean nahm ihr gegenüber Platz.
Eine Weile sprachen sie über das Essen und das Wetter, dann breitete sich ein peinliches Schweigen aus.
„Waren Sie immer schon im Restaurantgeschäft?“, fragte Dean schließlich.
Reva hob den Kopf und blickte ihn misstrauisch an. „Seit sechs Jahren.“
„Und wie hat es angefangen?“
Sie lächelte, ihr Misstrauen war offenbar vergessen. „Nachdem Cooper geboren war, fand ich Arbeit bei einem älteren Mann mit einem kleinen Restaurant, das in den letzten Zügen lag. Donald hatte gehofft, dass seine Söhne es übernehmen würden, doch die hatten andere Pläne. Dann geriet er an eine Reihe schlechter Geschäftsführer und stand kurz davor, alles zu verlieren. Als er mich einstellte, gab er mir die Freiheit, das Restaurant nach meinen eigenen Vorstellungen zu führen, und ich hatte Glück und machte es wieder profitabel.“
Dean nahm eine Gabel von dem lockeren Kartoffelpüree. „Ich glaube nicht, dass das etwas mit Glück zu tun hatte.“
Reva lächelte. „Donald machte mich zum Partner. Das Geschäft wuchs, und schließlich haben wir es mit gutem Gewinn verkauft. Mit dem Geld bin ich dann hierher gekommen.“
„Und davor? Was haben Sie gemacht, bevor Cooper geboren wurde?“
Dies war seiner Meinung nach ihre Chance, reinen Tisch zu machen, ihm alles zu erzählen und zu erklären, wie sie sich verändert hatte.
Sicher, er kannte sie erst zwei Tage, aber dennoch erwartete er, dass sie die Wahrheit sagen würde. In Deans Weltbild gab es nur zwei Sorten von Menschen, die Aufrichtigen und die Unaufrichtigen. Dazwischen blieb nur wenig Raum für Kompromisse. Seine Schwester warf ihm manchmal vor, dass er unflexibel war. Er selbst hielt sich für vernünftig und geradeheraus.
„Erzählen Sie doch was von sich“, bat Reva, seine Frage ignorierend. „Waren Sie lange bei der Polizei?“
Er nickte. „Ja, kann man so sagen.“
„Sie sehen jedenfalls aus wie ein Polizist. Ihre Haltung, die Art, wie sie Dinge betrachten. Es tut mir leid, Dean, ich weiß, dass Sie ihren Beruf wechseln wollen, aber irgendwie kann ich Sie mir nicht
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