Traumhaft verliebt - Roman
hohen Preis dafür bezahlt, genau wie die Exfrau ihres Neffen.
Mitgefühl, vermischt mit bitterer Reue, überwältigte sie. Im Rückspiegel sah sie, wie Travis lässig und unbefangen den Arm um Sarah schlang und mit der freien Hand durch Jazzys Haare wuschelte. Sie sahen aus wie eine Bilderbuchfamilie. Sarah wandte ihm den Kopf zu, ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht, und als sich ihre Blicke begegneten, konnte Raylene durch die Windschutzscheibe ihres Cadillacs förmlich die Funken sprühen sehen.
Oh, oh, wenn es mal nicht schon zu spät war.
Unter Hunderten erkannte sie ein glückliches Paar. Die beiden waren zweifelsohne intim miteinander gewesen.
Raylene war über ihre emotionale Reaktion überrascht. Schließlich war sie diejenige gewesen, die die ganze Sache angeleiert hatte, die herausgefunden hatte, dass Sadie Cool Sarah war. Die dem Plätzchenclub davon erzählt und die Damen angestiftet hatte, Travis und Sarah miteinander zu verkuppeln. Die den Babysitter für Jazzy gespielt hatte. Und das alles nur, damit der letzte Wunsch auf der Weihnachtswunschliste ihrer Großnichte in Erfüllung ging.
Raylene war überzeugt gewesen, genau das für Travis zu wollen.
Doch als ihr Neffe seinen Kopf neigte, um Sarah auf dem Rasen des Rathauses einen langen, gefühlvollen Kuss zu geben, einen Kuss, der deutlich sagte, dass er sich in sie verliebt hatte, wusste Raylene, dass das nicht richtig war. Ein schreckliches Gefühl der Panik, das nur wenig mit Sarah und Travis zu tun hatte, dafür aber alles mit dem dunklen Geheimnis, das sie nun seit sechsunddreißig Jahren mit sich herumschleppte, überkam sie. Sie dachte an ein anderes mutterloses kleines Mädchen, und ihr drehte sich der Magen um.
Sie musste dieser Beziehung ein Ende bereiten, bevor sie aus dem Ruder lief. Raylene mochte Sarah. Mochte sie sogar sehr gern. Doch sie war nicht die Richtige für Travis, und vor allem: Sie war nicht die Mommy für Jazzy.
Angetrieben von einem Impuls, den sie nicht unterdrücken konnte, selbst wenn ein Teil von ihr schrie: Halt dich da raus und lass deinen Neffen in Ruhe! , wählte Raylene die Nummer der Telefonauskunft. Sie hatte einen äußerst wichtigen Anruf zu tätigen, und sie konnte nur beten, dass es nicht zu spät war.
Eine Minute später, bewaffnet mit einer Telefonnummer aus Nashville, drückte Raylene die Tasten ihres Handys.
»Hallo?«, sagte eine Frau. Im Hintergrund konnte Raylene Country- und Westernmusik vernehmen.
»Crystal? Crystal Hunt?«
»Ja? Wer ist dran?«
»Hier spricht Raylene Pringle, die Tante von Travis Walker.«
»Ich weiß, wer Sie sind. Was wollen Sie?« Crystal klang aggressiv, und Raylene hätte das Gespräch am liebsten beendet, aber sie konnte es einfach nicht. Das war ihre einzige Möglichkeit, für ihre eigenen Sünden Buße zu tun.
Sie stieß die Luft aus, und zum ersten Mal in sechsunddreißig Jahren beichtete sie die schreckliche Tat, die sie begangen hatte.
Am nächsten Abend, dem Sonntag vor Heiligabend, eröffnete Bürgermeister Moe Schebly um Punkt achtzehn Uhr das offizielle Schmücken des Weihnachtsbaums von Twilight. Die Menge, die sich auf dem Rasen vor dem Rathaus versammelt hatte, stürmte begeistert nach vorn, bewaffnet mit Plastikkugeln und knallbunten Girlanden, silbernem Lametta und glänzenden Bändern, farbigen Schleifen und Pfefferminzstangen.
Sarah blickte auf den Baum, den sie zusammen mit Travis gefällt hatte. Die schöne Weihnachtszeder, die nun von der ganzen Stadt geschmückt wurde. Die Lichter funkelten in atemberaubender Schönheit. Schneeflocken tanzten in der Luft. Weihnachtssänger stimmten »Let It Snow« an. Da stand sie, hielt mit der Linken Travis’ Hand, mit der Rechten Jazzys. Es war ein unglaublicher Augenblick, absolut überwältigend. Wenn sie eine alte Dame im Schaukelstuhl wäre, die auf ihr Leben zurückblickte, würde sie sich an diesen perfekten Augenblick erinnern, als sie vollkommen glücklich gewesen war.
Travis wandte sich ihr zu und fuhr ihr mit der freien Hand durchs Haar. Die Vertrautheit dieser Geste ließ ihr Herz höher schlagen. Er berührte sie, als wären sie offiziell ein Paar. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass du dir die Haare hast schneiden lassen.«
Nachdem sie am gestrigen Nachmittag aus der Jagdhütte in die Stadt zurückgekehrt waren, war Sarah direkt in den nächsten Friseursalon gegangen und hatte sich ihre taillenlangen Locken bis zur Schulter kürzen lassen. Rapunzel hatte sich viel zu lange in
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