Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
Vom Netzwerk:
sagen, würdest du mich verstehen? Drum hör’ und glaube die Warnung. Selbst in schwerer Erfahrung wirst du immer lernen, warum er dein Herr ist, nur daß er es ist. Leicht und sorglos ist dein Sinn, wohl hast du die Macht, doch deine Macht ist Spiel. Seine Macht aber ist Arbeit !’
    ,Arbeit? Was ist Arbeit?’ fragte ich übermütig. Und aus der Wolke sprang ich hinab zum Boden durch den Stamm einer hohen Fichte, daß lodernd die Flamme emporschlug.
    ,Hüte dich!’ rief die Mutter zürnend. ‚Störe nicht Menschenwerk, daß du nicht lernen mußt, was Arbeit sei. Hüte dich, daß du nicht arbeiten mußt. Denn deine Arbeit wird nicht sein wie des Menschen Arbeit. Wohl hört’ ich von einem dunkeln Rätsel, daß des Menschen Arbeit zur Freiheit leite. Deine Arbeit aber würde Knechtesarbeit sein. Hüte dich, Menschenwerk zu stören!’
    ,Hüte dich!’ Immer umtönte mich die Warnung bei meinen Spielen. Arbeit – Arbeit! Das mußte wohl etwas Schreckliches sein. Aber was ist schrecklich? Von Menschen hört’ ich das Wort, als ich einst durch die metallne Stange an ihrem Fenster vorbeiglitt, ich sah sie zitternd im Zimmer stehen, und so war in mir ein dunkles Gefühl, daß hier etwas sei, das mir fremd war. Aber ich verstand es nicht, ich kannte es nicht. Was sollte schrecklich sein? Der tiefe Abgrund des Gebirges, wenn die Lawine hineinstürzte? Ich schwebte darüber. Der dunkle Raum droben, der ohne Ende ist? Dort wohnt mir der Vater, der Ätherfürst, dort winken die Sonnen sich Botschaft zu. Also unten im Tal, wo die Menschen wohnen? Dort haust die Arbeit. Wie mochte sie aussehen? Gewiß jene langen, geraden, viereckigen Streifen, bald schwarz, bald grün, bald gelb, die sich drunten über die Ebene und über die Hügel zogen, das wird die Arbeit sein. Sie lagen immer fest am Boden, sie rührten sich nicht – das mochte wohl schrecklich sein. Und so ein Streifen sollt’ ich werden? Das war häßlich. Und doch, so hatte die Mutter gesagt, der Mensch ist dein Herr, seine Macht ist die Arbeit. Mein Herr? So sollte er durch die Arbeit mein Herr sein? So mußte die Arbeit doch etwas Besseres sein als ich? Wer löst mir das Rätsel? Oft ruht’ ich lange im kalten Luftraum und grübelnd vergaß ich der treibenden Wolken und der leuchtenden Funken. – Und es war doch Unsinn, daß der Mensch mir gebieten sollte – etwa durch die Felder da unten? Unsinn!
    Im Wirbelsturm fuhr ich hinaus aufs Meer und in rasendem Tanze zog ich die Wogen herauf in meine Wolke und blitzte aus dem schäumenden Trichter und fragte das Meer: ‚Was ist die Arbeit?’
    ,Küste! Küste!’ klang es dumpf zu mir herauf.
    Da merkte ich, daß ich nicht viel erfahren würde. Denn ‚Küste’ ist sein Horizont, und was darüber geht, das heißt alles ‚Küste’ beim Meere.
    ,Was ist der Mensch?’ fragte ich weiter. ‚Ist er unser Herr ?’
    ,Daß ich nicht wüßte’, gurgelte das Meer. ‚Es schwimmt zwar hier und da so etwas herum, aber es tut mir nicht weh. Übrigens ist der Mensch meistenteils tot. Als Fischfutter nicht zu verachten. Was heißt überhaupt ‚Herr’? Sei nicht so spitzfindig. Küste! Küste!’
    Da saust’ ich wieder davon. Mit dem Meere ist nicht viel los. Es ist eine zu große, schwerfällige Masse. Wen könnt’ ich wohl fragen?
    Menschenwerk mußte ich suchen, denn meine Genossen wußten nicht mehr als ich. Aber Menschenwerk dürft’ ich nicht stören. Die Schienen vielleicht? An ihnen war ich hingeglitten, ohne sie zu schädigen. Doch sie konnten nicht reden, das hatte ich schon gemerkt. Wie wäre es mit dem roten Draht? Ob ich es wagte? Ich fand keine Ruhe.
    Es war zu dumm! Ein einziger Gedanke störte mich bereits in meiner Freiheit. Ob das schon Arbeit war? Ob vielleicht die Arbeit eben das bedeutete, daß mir die freie Luft gestört war –
    Eines Tages spielte ich wieder mit den Wolken über dem Berghang. Da sah ich auf den Schienen etwas Seltsames heraufkriechen. Es klammerte sich an die Zähne der mittelsten Schiene, streckte aber einen langen Hals nach dem roten Drahte aus, daran leckte es mit glänzender Zunge.
    Und Menschen saßen darin. Was hatten die hier bei mir zu suchen? Dazu waren sie noch fröhlich, Fahnen flatterten am Wagen und Gesang klang herauf.
    Die Menschen freuten sich. Ich aber witterte überall die Arbeit; so meint’ ich auch, ob der Wagen etwa die Arbeit sei –“
    In dem Zählwerk gab es einen Schnapper.
    „Was soll’s?“ fragte die Lampe, ärgerlich über die Unterbrechung.

Weitere Kostenlose Bücher