Traummann auf Raten
einem dezenten Olivgrün aufgestöbert, die nun gebügelt und angebracht wurden.
Fürs Bett hatte sie Laken und Kissenbezüge aus feinstem irischem Leinen und eine bestickte Seidendecke ausgewählt, auf der sich die Farbe der Draperien mit den unterschiedlichsten Brauntönen zu einem komplizierten Muster verbanden. Sie konnte sich allerdings nicht überwinden, Mrs. Ashby beim Aufziehen zu helfen. Unter dem fadenscheinigen Vorwand, Sadie benötige sie im Stall, verließ sie vorher das Zimmer.
Nicht dass Gabriel hier viele Nächte verbringen würde …
Um sich so viel wie möglich außerhalb des Hauses aufzuhalten, akzeptierte Joanna alle Einladungen zum Lunch oder Dinner, die ihr gemacht wurden.
Ihr war klar, dass manche dieser Angebote purer Neugier entsprangen. Es kursierten Gerüchte über Lionels Testament und dessen sonderbare Bedingungen, und Leute, die über die Trennung zwischen Joanna und Gabriel informiert waren, spekulierten natürlich und versuchten, sie diskret auszuhorchen.
Joanna blockte jedoch die Fragen ab und vermied es, sich über ihre Zukunft zu äußern. Das war kein Problem, da sie selbst keine Ahnung hatte, wohin sie später gehen oder was sie tun würde.
Es drängte sie ja niemand. Zunächst galt es, das Jahr zu überstehen, dann konnte sie sich ein Anwesen fernab von Westroe Manor und seinen Erinnerungen suchen und von dem Geld leben, das Lionel für ihren Unterhalt ausgesetzt hatte. Tief in ihrem Herzen wusste sie aber, dass sie es dabei nicht bewenden lassen durfte.
Ich habe mich schon viel zu lange vor dem Leben versteckt, dachte sie. Ich brauche einen Beruf, ein fest umrissenes Ziel. Etwas, das mich am Grübeln hindert …
Doch sämtliche Pläne, die sie in schlaflosen Nächten schmiedete, verloren im kalten Licht des Morgens ihren Reiz. Ein Schritt nach dem anderen, tröstete sie sich. Ich muss nichts überstürzen.
Cynthias bevorstehender Umzug ins Larkspur Cottage hatte für einigen Wirbel gesorgt, aber Joanna ignorierte die Anspielungen. Wenn die Gerüchteküche mit der üblichen Gründlichkeit brodelte, würden ohnehin bald alle die Hintergründe kennen und Joanna erneut Mittelpunkt des allgemeinen Mitleids sein.
Die Anteilnahme über Lionels Tod hatte sie aufrichtig begrüßt, aber der Gedanke, bedauert zu werden, weil ihr Ehemann eine leidenschaftliche Affäre mit ihrer Stiefmutter hatte, war ihr unerträglich.
Cynthias Vorbereitungen liefen bereits auf Hochtouren. Sie war tagsüber nur selten im Manor, was Joanna sehr entgegenkam.
Henry Fortescue setzte einen Mietvertrag für das Cottage auf und runzelte angesichts des von Joanna verlangten Preises indigniert die Stirn. Offenbar weiß er nicht, wer tatsächlich bezahlen muss, sagte sich Joanna und verspürte nicht die geringste Neigung, ihn aufzuklären.
„Womit gedenkt eigentlich Mrs. Elcott ihren Lebensunterhalt zu verdienen?“ erkundigte er sich. „Bezüglich der Miete waren Sie überaus großzügig, trotzdem muss sie noch die Grundsteuer und Heizkosten begleichen.“ Er zögerte. „Die finanzielle Unterstützung, die sie als seine Gesellschafterin von Lionel bekam, endete mit seinem Tod.“
Joanna blickte zu Boden. „Ich glaube, Gabriel beabsichtigt, weiterhin für sie aufzukommen.“
„Erstaunlich“, bemerkte Mr. Fortescue.
Nicht, wenn man die Hintergründe kennt, dachte sie bekümmert. Gabriel musste allerdings völlig vernarrt sein, dass er sich so von Cynthia manipulieren ließ.
Während seiner Abwesenheit hatte er jeden Abend angerufen, und stets war Cynthia am Apparat gewesen. Joanna hatte sich zwar bemüht wegzuhören, trotzdem war die Stimme ihrer Stiefmutter immer wieder an ihr Ohr gedrungen – sanft, verführerisch und mitunter begleitet von einem mädchenhaften Kichern. Glücklicherweise hatte sie die Worte nicht verstehen können.
Ich werde erst aufatmen, wenn Cynthia endgültig ins Cottage übergesiedelt ist und ich nicht mehr mit ansehen oder mit anhören muss, was los ist, dachte sie. Und wenn ich dann noch durch irgendein Wunder meine Fantasie ausschalten könnte, wäre ich fast zufrieden.
„Ach übrigens, Liebes“, meinte Cynthia ein paar Tage vor Gabriels geplanter Rückkehr beim Frühstück, „du hast doch nichts dagegen, wenn ich ein paar Sachen mit nach Larkspur nehme, oder?“
„Was schwebt dir denn vor?“ Joanna sortierte die Post nach Rechnungen, Werbebriefen und persönlichen Schreiben.
Cynthia machte eine lässige Handbewegung. „Nur Kleinigkeiten. Natürlich das
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