Traummann auf Raten
Bademantel. Zum Glück zogen nicht Gabriels Hände den weichen Stoff um sie zurecht.
Es hätte durchaus passieren können … Diese Erkenntnis war so schockierend, dass es ihr den Atem verschlug. Genau wie vorhin, als ihr Körper so verräterisch auf die kurze Berührung seiner Finger an ihrer Schulter reagiert hatte.
Eines hatte ihr die unwillkommene Konfrontation mit ihm zweifelsfrei bewiesen: Sie war keineswegs so immun gegen Gabriel, wie sie es sein sollte.
Ich muss mich irgendwie wappnen, dachte sie. Seine Abwesenheit in den nächsten Tagen würde ihr dazu Gelegenheit geben. Außerdem wollte sie ihm nie wieder hilflos ausgeliefert sein. Sie würde unverzüglich einen Schlosser rufen und die Schlafzimmertür sichern lassen.
Aber wie sie Gabriel aus ihren Gedanken, ihrem Herzen verbannen sollte, war ein völlig anderes Thema.
Da sie beschlossen hatte, Sadie im Stall zur Hand zu gehen, zog Joanna Reithosen, Stiefel und einen dicken Pullover an. Harte körperliche Arbeit war genau das, was sie brauchte, um sich von ihren persönlichen Problemen abzulenken. Außerdem hatten die Pferde in den letzten Tagen wenig Bewegung gehabt und scharrten vermutlich schon ungeduldig mit den Hufen.
Sie fragte sich, was Gabriel mit Nutkin vorhatte, dem Wallach, den Lionel geritten hatte, als er starb. Nutkin war ein starkes, temperamentvolles Tier, und Joanna war nicht sicher, ob sie ihn bändigen konnte – oder ob sie es überhaupt versuchen sollte.
Seufzend lief sie die Treppe hinunter. Noch eine Angelegenheit, die Gabriels Entscheidung bedurfte. Sie würde eine Liste machen müssen.
Als sie die letzte Stufe erreichte, kam ihr Cynthia aus dem Esszimmer entgegen. Da sich ihre Stiefmutter normalerweise nicht vor Mittag aus ihrem Zimmer bewegte, sah Joanna sie verwundert an.
„Kann ich mit dir reden?“ fragte Cynthia.
„Gern.“ Joanna überlegte. „Ist noch Kaffee übrig?“
„Sicher. Warum?“
Joanna zuckte die Schultern. „Wir sollten versuchen, jedes Gespräch zwischen uns so zivilisiert und höflich wie möglich zu gestalten.“ Sie ging voran ins Esszimmer und schenkte sich Kaffee aus einer schweren Silberkanne ein.
„Liebes.“ Cynthia ließ sich graziös auf einem der hochlehnigen Stühle am Tisch nieder. „Ich bin absolut bereit, so höflich zu sein, wie du es dir nur wünschen kannst.“
Vorausgesetzt, ich tanze nach deiner Pfeife, fügte Joanna im Stillen hinzu. Sie setzte sich ihr gegenüber. „Ich nehme an, es betrifft Larkspur Cottage.“
„So ist es.“ Ihre Stiefmutter zog einen leichten Schmollmund. „Ich weiß wirklich nicht, was Lionel bewogen hat, dir das Haus zu vermachen. Ich dachte, er und ich wären uns darüber einig.“
Joanna lächelte bitter. „Ich bezweifle, dass Lionel die persönlichen Wünsche von irgendjemandem berücksichtigt hat, als er das Testament verfasste.“
„Nein.“ Ein boshaftes Funkeln erschien in Cynthias Augen. „Sonst hätte er kaum die lächerliche Klausel eingefügt, dass Gabriel ein weiteres Jahr mit dir verheiratet bleiben muss. Der arme Schatz wirkte eindeutig mordlustig, als die Passage vorgelesen wurde.“
„So? Wie schade, dass ich nur ohnmächtig geworden bin, statt vor Schreck tot umzufallen. Dann wäre euch viel Ärger erspart worden.“
Cynthia presste die kunstvoll geschminkten Lippen zusammen. „Mitunter redest du völligen Unsinn.“
„Nun, damit musst du dich nicht länger herumplagen“, tröstete Joanna sie ironisch. „Jedenfalls nicht, wenn du ins Larkspur Cottage übersiedelst.“
„Du willst es mir also vermieten?“ Cynthia klang überrascht.
„Warum nicht?“
„Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass du mir einen Strich durch die Rechnung machen würdest.“
„In diesem Punkt kann ich dich beruhigen. Noch gehört mir das Anwesen nicht“, erinnerte Joanna sie. „Henry Fortescue und Gabriel fungieren gemeinsam als Testamentsvollstrecker. Wahrscheinlich haben sie keine Einwände.“
„Gabriel ganz gewiss nicht.“ Cynthia rekelte sich genüsslich. „Immerhin war es seine Idee.“ Sie blickte Joanna unter halb gesenkten Lidern an. „Aber das hat er dir wohl nicht gesagt. Unter den gegebenen Umständen wäre das auch ziemlich taktlos gewesen.“
Joanna hatte plötzlich das Gefühl, als würde eine eisige Hand nach ihrem Herzen greifen. Ihre eigene Stimme schien aus weiter Ferne an ihr Ohr zu dringen und einer Fremden zu gehören. „Mit anderen Worten, es ist zweckmäßiger für euch beide, eure Affäre unter
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