Traummann auf Raten
Kopf.
„Verkaufen?“ wiederholte Joanna ungläubig. „Was soll das? Gabriel würde das Manor niemals verkaufen.“
„Das wird aber erzählt, Jo. Die Furnival-Leute haben sich wieder gemeldet – von dieser Hotelkette –, die Mr. Lionel schon vor ein paar Jahren zum Verkauf überreden wollten.“
„Ja, und er hat sie abgewiesen.“ Joanna schnallte mit zitternden Händen den Sattelgurt fest.
„Aber nun lebt er nicht mehr“, meinte Sadie. „Es steht zu vermuten, dass Mr. Gabriel nicht so über das Anwesen denkt, sonst wäre er kaum so lange weg gewesen. Und wenn jetzt auch noch eine Scheidung … Man spekuliert, dass er an Furnival verkauft und nach London zurückkehrt. Ich dachte, Sie wüssten darüber Bescheid.“
„Leider bin ich nicht so gut informiert wie das Royal Oak.“ Obwohl der Boden unter ihren Füßen zu schwanken schien, versuchte Joanna zu scherzen – und scheiterte kläglich. „Wer ist der Spion?“ Als Sadie sich verlegen auf die Lippe biss, erinnerte Joanna sich, dass Debbie Macintosh, die Wirtstochter, in Henry Fortescues Kanzlei arbeitete. „Eigentlich will ich es gar nicht wissen“, fügte sie bitter hinzu.
Als sie Minnie zum Sattelblock führte, wieherte Nutkin leise. Was wird aus den Pferden? fragte sie sich besorgt. Und nicht nur aus ihnen. Da waren Grace und ihr Mann, Sadie und die anderen Angestellten. Sie alle gehörten zu dieser sicheren kleinen Welt, die bald in Trümmern liegen würde.
Die Hunde, ich könnte zumindest die Hunde nehmen, überlegte sie weiter. Cynthia hat sie nie gemocht, und sie hassen die Stadt.
Aber dabei kann ich es nicht belassen. Vielleicht gelingt es mir, mit Gabriel zu reden und ihn zu überzeugen, nicht zu verkaufen. Ihm begreiflich zu machen, dass Westroe Manor nicht nur sein Elternhaus und Erbe darstellte, sondern eine Verpflichtung.
Wahrscheinlich würde er nicht auf sie hören. Möglicherweise hatte er diesen Schritt schon lange vorgehabt. Alte Fesseln abzuwerfen, um ein neues Leben zu beginnen – mit einer neuen Frau. Jedes Opfer zu bringen, das sie von ihm verlangte. Cynthia spielte lieber in London oder New York Königin als Herrin des Manor. Die Sache war vermutlich ihre Idee. Die Tatsache, dass Gabriel auf sie gehört hatte, bewies, wie sehr er sie liebte.
Joanna schwang sich in den Sattel.
Sadie zurrte Minnies Gurt fester. „Meinen Sie, dass die Hotelleute die Ställe weiterhin nutzen?“
„Ich weiß nicht. Aber vergiss bitte nicht, dass es sich lediglich um ein Gerücht handelt. Vielleicht passiert überhaupt nichts.“
„Man sagt, die Furnival-Leute kämen bald her, um über den Vertrag zu verhandeln.“
Joanna klopfte Minnie auf den Hals. „Und ich sage, Debbie sollte lernen, etwas diskreter zu sein, wenn sie ihren Job behalten will.“ Sie drückte der Stute die Fersen in die Flanken und ritt vom Hof.
Der Morgen war grau, aber milder als die vorherigen. Joanna lenkte die Stute zum Hügel. Als sie die Einsiedelei erreichte, saß sie ab, band Minnies Zügel an einen Baumstumpf und ließ sich auf einem Felsen nieder.
Unter ihr fügte sich das Manor harmonisch in die Landschaft. Bekümmert erinnerte sie sich an die hochtrabenden Pläne, die die Furnival-Kette präsentiert hatte. Tennisplätze, ein Wellness-Bereich und ein Swimmingpool. Lionel hatte sich alles ruhig angehört und dann energisch abgelehnt. Joanna hatte geglaubt, die Angelegenheit wäre damit erledigt.
Ich hätte wissen müssen, dass sie nicht so leicht aufgeben würden, sagte sie sich. Erstaunlich war nur, wie kurz nach Lionels Tod sie aktiv geworden waren. Für Furnival war es ein Geschäft, nur ein weiterer Abschluss. Und vielleicht sah Gabriel es genauso. Schließlich war er ähnlich rücksichtslos. Er würde sich auch nicht von Sentimentalitäten beeinflussen lassen. Oder von flüchtiger Leidenschaft.
Minnie, die bislang friedlich gegrast hatte, hob plötzlich den Kopf und wieherte. Verwundert drehte Joanna sich um und sah Rupert Gordon nur ein paar Meter entfernt. Sie stand langsam auf und blickte ihn abweisend an.
Mit den hautengen Jeans, der schwarzen Lederjacke und dem cremefarbenen Seidenschal um seinen Hals war er für eine Wanderung recht unpassend gekleidet. Er schien jedoch mit sich selbst höchst zufrieden zu sein. „Ich hatte gehofft, Sie hier zu treffen.“
Joanna schob die Hände in die Taschen. „Die Freude ist ganz Ihrerseits.“
„Wie unhöflich“, tadelte er sie unbeeindruckt, „immerhin habe ich mein Bestes getan, Sie gut zu
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