Traummann auf Raten
wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. „Aus deinem Mund klingt das so … klinisch.“
„Das sind Experimente normalerweise auch. Ich freue mich, dass dieses so erfolgreich war. Schließlich kann ich dich nicht zu einem Fremden gehen lassen, ohne dass du deine Vorlieben kennst.“
„Stimmt. Das würde dein Stolz niemals gestatten.“ Sie sah an ihm hinab. „Wie ich sehe, hat er die Lust als Todsünde ersetzt.“
Gabriel gähnte. „Er wird bald der Trägheit weichen, fürchte ich. Möchtest du hier bleiben, oder willst du lieber in dein Zimmer zurück?“
Nur mit Mühe gelang es ihr, ruhig zu sprechen. „Ich ziehe es vor, in meinem eigenen Bett zu schlafen.“
Während sie aufstand und zu ihrem auf dem Boden liegenden Hausmantel ging, spürte sie Gabriels Blick auf sich ruhen. Sie warf sich das Kleidungsstück über; statt es zuzuknöpfen, raffte sie es nur um sich und wandte sich zur Tür. Aus einiger Entfernung meinte sie ihren Namen zu hören, hielt jedoch nicht inne.
Stolz ist nicht nur eine Todsünde, dachte sie beim Hinauseilen. Manchmal ist es das Einzige, woran man sich klammern kann, wenn alle Hoffnungen und Träume zerbrochen sind.
Mit gesenktem Kopf lief sie den Flur entlang, als irgendetwas – ein Geräusch, eine Bewegung – ihre Aufmerksamkeit erregte.
Cynthia stand auf dem Treppenabsatz und sah sie an. Ein boshaftes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ich hoffe, du hast dich nicht zur Närrin gemacht, Kleines.“
Wortlos betrat Joanna ihr Zimmer. Und manchmal wird einem sogar der Stolz genommen, dachte sie resigniert, als sie die Tür hinter sich schloss. Tränen strömten ihr übers Gesicht.
10. KAPITEL
Erst gegen Morgengrauen sank Joanna in einen unruhigen Schlaf. Sie hatte stundenlang wach gelegen, mit brennenden Augen an die Decke gestarrt und gegrübelt.
Gabriel hatte sie begehrt und nicht den geringsten Hehl daraus gemacht. Aber dann, mit einem Mal, hatte er sie nicht mehr gewollt und aus seinem Bett und seinem Leben geworfen. Eine Situation, die ihr nur zu vertraut war, und trotzdem hatte sie es so weit kommen lassen.
Es ist meine Schuld, dachte sie deprimiert. Ich habe die Katastrophe heraufbeschworen. In der einen Minute rede ich von Scheidung, in der nächsten werfe ich mich ihm förmlich an den Hals.
Vermutlich war ihm in letzter Sekunde eingefallen, dass er jetzt an Cynthia gebunden war und diese Beziehung nicht gefährden wollte.
Ich hätte das Verhältnis der beiden nicht vergessen dürfen und mich zurückhalten müssen, überlegte Joanna. Nun muss ich mit den Konsequenzen leben.
Am liebsten wäre sie an diesem Morgen im Bett geblieben und hätte sich die Decke über den Kopf gezogen, aber die kümmerlichen Reste ihres Stolzes duldeten keine Feigheit.
Nachdem sie geduscht und sich angezogen hatte, ging sie hoch erhobenen Hauptes nach unten. Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung hatte sie das Esszimmer für sich.
Vielleicht hatte Cynthia Gabriel bei sich behalten, damit er für den Fehltritt der letzten Nacht Abbitte tat.
Daran darf ich gar nicht denken, ermahnte Joanna sich im Stillen. Nervös trank sie Orangensaft und Kaffee und zerkrümelte den frischen Toast, den Grace ihr unbedingt hatte servieren wollen. Sie wollte stattdessen ihr neues Leben planen. Völlig unerwartet war die Freiheit in Reichweite – eine vermeintliche Freiheit. Denn alles, was Joanna sich vom Leben wünschte, befand sich hier unter diesem Dach, aber sie musste sich zusammenreißen und fortgehen.
Seufzend beendete sie das so genannte Frühstück und begab sich hinaus zu den Stallungen, in denen Sadie mit mürrischer Miene herumlief.
„Was ist los?“ Joanna holte Minnies Zaumzeug und begann, die Stute zu satteln.
Sadie mied ihren Blick. „Jimmy und ich waren gestern Abend im Royal Oak“, erklärte sie. „Alle haben über das gesprochen, was hier passieren wird. Mir wurde ganz elend.“
„Ich nehme an, man hat über Mr. Verne … ich meine, unsere Scheidung …“
Sadie wirkte schockiert. „Nein, niemand hat erwähnt … O Jo, das ist doch nicht wahr, oder? Nicht auch noch das!“
Minnie schnaubte unruhig, so als spürte sie, dass ihre Herrin sich nicht auf sie konzentrierte. Joanna sprach besänftigend auf sie ein und tätschelte ihr den Hals.
„Ich dachte, es wäre offensichtlich, wie die Dinge zwischen uns liegen. Es kursieren sicher zahlreiche Gerüchte in Westroe.“
„Also deshalb will Mr. Gabriel verkaufen und wegziehen.“ Sadie senkte den
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