Traummann mit Zuckerkuss
aufgewachsen. Das ist unser Viertel.«
Als Darny seine langen Finger umklammerte, versuchte Austin, nicht in Panik zu verfallen, aber es war ihm wichtig, dass sie weiterhin in ihrem Elternhaus lebten. Darny ging auf seine alte Schule, und sie wohnten in derselben Gegend wie immer, in Stoke Newington. Gut, es war nicht einfach, die Hypothek abzubezahlen, aber er hatte es für unumgänglich gehalten, in ihrem Leben für eine gewisse Stabilität zu sorgen und Darny zusätzlich zu allem anderen nicht auch noch sein Zuhause wegzunehmen. Hier waren sie in eine Gemeinschaft von Freunden und Nachbarn eingebunden, die für sie da waren, sodass sie im Notfall immer etwas Warmes zu essen hatten oder Darny bei jemandem übernachten konnte, wenn Austin abends länger arbeiten musste. Er liebte diese Gegend von ganzem Herzen.
Kirsty machte eine beruhigende Geste.
» Von einem Rauswurf war ja auch gar nicht die Rede. Aber was ich hier nicht akzeptieren kann… sind Pfeil und Bogen.«
Darny schüttelte heftig den Kopf.
» Sind wir uns da einig, Darny? Schluss mit Pfeil und Bogen?«
» Schluss mit Pfeil und Bogen«, wiederholte Darny, der sich immer noch weigerte, vom Fußboden hochzusehen.
» Und?«, drängte Austin.
» Und es tut mir leid«, sagte Darny und blickte endlich auf. » Muss ich mich jetzt auch bei den Vorschülern entschuldigen?«
» Ja, bitte«, nickte Austin. Kirsty lächelte ihn dankbar an. Sie war beinahe hübsch, dachte Austin zerstreut. Für eine Lehrerin.
Janet, Austins Assistentin, kam ihm an der Eingangstür zur Bank entgegen.
» Sie sind spät dran«, bemerkte sie und drückte ihm einen Kaffee in die Hand (mit viel Milch und drei Stück Zucker– da er in manchen Bereichen so schnell erwachsen werden musste, hinkte er in anderen noch ein wenig hinterher).
» Ich weiß, ich weiß, tut mir leid.«
» Mal wieder Ärger mit Darny?«
Austin verzog gequält das Gesicht.
» Keine Sorge«, beruhigte sie ihn, klopfte ihm auf die Schulter und zupfte ihm gleichzeitig ein paar Fusseln von der Jacke. » Die machen alle dieselben Phasen durch.«
» Mit Pfeil und Bogen?«
Janet rollte mit den Augen. » Da haben Sie ja noch mal Glück gehabt. Bei meinen waren es Böller.«
Nach diesem Kommentar fühlte sich Austin gleich viel besser, und er warf einen Blick in seine Unterlagen: Da wollte jemand ein Darlehen für ein Café. Bei der momentanen Lage am Markt klang das nicht gut und wenn, dann auch nur unter strengsten Bedingungen. Jeder fand, dass die Banken zu harte Entscheidungen trafen, tatsächlich war es jedoch eine undankbare Aufgabe, Geld an Kleinunternehmen zu verleihen. Mehr als fünfzig Prozent scheiterten nämlich. Herauszufinden, zu welcher Hälfte die Bewerber gehörten, war seine Aufgabe. Er bog um die Ecke zum kleinen Wartebereich.
» Hallo«, grüßte er und lächelte die nervös wirkende junge Dame mit den rosigen Wangen und dem nach hinten gebundenen wilden schwarzen Schopf an, die mit einer Zeitschrift herumspielte. » Sind Sie mein Zehn-Uhr-Termin?«
Issy sprang auf, dann wanderte ihr Blick ungewollt zur großen Uhr an der Wand.
» Ich weiß«, murmelte Austin und verzog schon wieder die Miene. » Es tut mir wirklich leid…« Er hätte am liebsten beteuert, dass er sonst nie zu spät kam, aber das hätte nicht ganz der Wahrheit entsprochen. » Kommen Sie bitte mit?«
Issy folgte ihm durch eine weitere Glastür in ein Besprechungszimmer, das im Prinzip nichts weiter als ein gläserner Kasten mitten im Großraumbüro war. Sie fand es seltsam, als wären sie zwei Fische im Aquarium.
» Tut mir leid. Ich… hallo, ich bin Austin Tyler.«
» Issy Randall.« Issy schüttelte ihm die Hand, die groß und trocken war. Für einen Bankmenschen sah er ziemlich zerzaust aus, dachte sie. Aber sein Lächeln war angenehm, wenn auch ein wenig zerstreut, und diese grauen Augen unter dichten Wimpern– vielleicht sollte sie ihn für Helena auf die Liste setzen. Sie selbst hatte nach gestern Abend von Männern die Nase gründlich voll. Sie unterdrückte den Ärger, der in ihr aufstieg. Konzentrier dich! Konzentrier dich! Sie wünschte nur, sie hätte mehr als drei Stunden geschlafen.
Austin suchte nach einem Stift. Ihm war nicht entgangen, dass seine Kundin ein wenig abwesend wirkte. Als er Leeds verlassen hatte, war er nicht sicher gewesen, ob er einen guten Banker abgeben würde. Dass er einmal in einem Geldinstitut arbeiten würde, hätte er sich nie träumen lassen, als sein Interesse noch voll und
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