Traumprinzen und Wetterfrösche: Ein Stephanie-Plum-Roman (German Edition)
»Such dir einen Baum aus«, schlug ich vor.
»Was?«
»Besser wird’s nicht. Wir haben uns verfahren, und wir haben kein Benzin mehr.«
»Davon will ich nichts hören«, wehrte Lula ab. »Es wird bald dunkel. Die Vorstellung, hier im Dunkeln zu sitzen, gefällt mir nicht. Das ist unheimlich. Und nachts kommt der Jersey Devil heraus.«
»Es gibt keinen Jersey Devil.«
»Ich habe von ihm gehört. Er hat Flügel. Große Flügel.«
Carl war über den Sitz geklettert und kauerte nun auf dem Schaltknüppel. Es gefiel ihm nicht, dass wir über den Jersey Devil sprachen.
»Bist du sicher, dass wir kein Benzin mehr haben?«, fragte Lula.
Ich drehte den Zündschlüssel, aber der Motor sprang nicht an.
»Ich kann einfach nicht fassen, dass du mich in diese Situation gebracht hast«, beklagte sich Lula. »Kein Benzin mehr und kein Klo weit und breit. Ich werde mich auf den Weg machen und mir selbst ein Plätzchen suchen.«
Lula hievte sich aus dem Wagen und ging die Straße hinunter.
»Das ist keine gute Idee«, rief ich ihr hinterher. »Du wirst dich noch weiter verirren.«
»Straßen enden nicht im Nichts. Sie führen immer irgendwohin. Ich werde jetzt dieser Straße folgen.«
Ich rutschte hinter dem Lenkrad hervor, lief ihr nach und versuchte, sie einzuholen. Ich hielt es für eine dumme Idee, zu Fuß loszumarschieren, aber sie hatte eine geladene Waffe bei sich. Bei dem Gedanken an den Jersey Devil brach mir zwar kein Angstschweiß aus, doch die Vorstellung, dass Wulf mich wehrlos in meinem Jeep finden könnte, war nicht gerade berauschend.
Wir marschierten eine halbe Stunde lang, und es wurde immer dunkler. Carl klebte mir stumm und mit weit aufgerissenen Augen an den Fersen. Lula stampfte keuchend zwei Schritte vor mir her. Plötzlich blieb sie stehen und neigte den Kopf.
»Hast du das gehört?«, fragte sie.
»Was?«
»Dieses Geräusch. Wie ein Flügelschlag. Als ob etwas durch die Bäume geflogen wäre.«
»Ich habe nichts gehört.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass es der Jersey Devil war«, meinte Lula.
»Der Jersey Devil ist eine Legende. Er taucht nur in Gutenachtgeschichten auf. Und er ist nicht einmal angsteinflößend. Angeblich sieht er aus wie ein dickbäuchiges Pferd mit Flügeln.«
»Ja, aber ich habe gehört, dass der Devil mit Vorliebe wohlgerundete, hübsche Frauen mit dunkler Hautfarbe frisst.«
»Das ist doch Unsinn. Pferde sind Pflanzenfresser.«
»Das ist aber ein Teufelspferd, und niemand weiß, was genau es frisst. Und es könnte dich mit seinen Hufen zertrampeln. Oder dich mit einem Zauber belegen.«
Der Jersey Devil hörte sich allmählich an wie Morellis verrückte italienische Großmutter.
»Wir sollten uns eher vor dem Aufheulen eines FerrariMotors fürchten.«
»Auf dieser Straße wird uns kein Ferrari begegnen«, meinte Lula. »Bei all diesen großen Furchen würde ein Ferrari sofort aufsetzen.«
Sie hatte recht. Das waren gleichzeitig gute und schlechte Nachrichten. Gute Nachrichten, weil ich nicht von Wulf überfahren werden wollte. Schlechte Nachrichten, weil das bedeutete, dass ich mich auf der falschen Fährte befand.
»Ich sehe etwas durch die Bäume schimmern«, verkündete Lula und ging weiter zu einer Gruppe Kiefern. »Ich glaube, dort drüben steht ein Haus. Und dort drin gibt es bestimmt ein Klo.«
»Sei vorsichtig. Selbst wenn es sich um ein Haus handelt, wissen wir nicht, wer darin wohnt. Es könnte ein Verrückter sein.« Wie Wulf.
»Das ist mir egal, solange es dort ein Klo gibt.«
Zehn Minuten später marschierten wir immer noch durch den Kiefernhain und folgten einem Lichtstrahl.
»Das ist wie im Zauberwald«, meinte Lula. »Ich glaube ständig, dass wir gleich irgendwo ankommen, aber dann sind wir immer noch nicht da. Erinnerst du dich noch an den Zauberer von Oz ? Sie mussten durch diesen Wald wandern, und die Bäume streckten ihre Äste aus und griffen nach Dorothy. Oder war das Harry Potter? Wie auch immer, so fühle ich mich hier. Ich habe das Gefühl, als hätten die Bäume Augen und Münder, und sie unterhielten sich flüsternd über uns. Und ihre Äste bewegten sich wie Arme, und sie griffen mit ihren grässlichen Zweigen wie mit Fingern nach uns.« Lula überlief ein Schauder von Kopf bis Fuß. »Ich sage dir, das sind Geisterbäume. Wir befinden uns in einem Geisterwald.«
»Das ist nur der Wind!«
»Es hört sich nicht an wie Wind. Ich kenne das Geräusch, das Wind macht. Hier unterhält sich jemand. Die Bäume beobachten uns
Weitere Kostenlose Bücher