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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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zu holen.«
    Schlange zuckte mit den Schultern, als North seinen Blick vom Verrückten löste und zu ihr hob.
    »Unser Eigentum ist gut geschützt. Er könnte dich hinführen, aber du wärst dazu außerstande, es in Besitz zu nehmen.«
    Auch jetzt war sie noch nicht dazu bereit, ihm zu sagen, was sie wirklich war.
    North befreite sich aus der affenartigen Umklammerung des Verrückten.
    »Ich bin schwach«, sagte er. »Ich gehe nie hinunter ins Tal.«
    Ein kleiner, schwerer Beutel prallte vor Norths Füßen auf. Er und Schlange sahen Melissa an.
    »Wenn du dafür Geld haben willst, daß man bloß mit dir reden darf«, sagte Melissa in aufsässigem Tonfall, »dann nimm das hier.«
    Mühsam beugte sich North hinab und nahm Melissas Lohn. Er öffnete den Beutel und schüttete die Münzen in seine Hand. Das Gold schimmerte auch im diffusen Licht des Hains. Er schüttelte die Münzen, wog sie bedächtig in der Hand.
    »Nun gut, als Anfang wird das reichen. Aber natürlich müßt ihr eure Waffen abgeben, und dann gehen wir in mein Heim.«
    Schlange löste ihr Messer vom Gürtel und warf es auf den Boden.
    »Schlange...« Melissa flüsterte. Sie starrte zu Schlange auf, völlig ratlos, sichtlich unfähig zu begreifen, warum Schlange tat, was sie getan hatte, die Finger um den Griff des eigenen Messers gekrümmt.

»Wenn wir möchten, daß er uns traut, müssen wir ihm vertrauen«, sagte Schlange. Aber insgeheim vertraute sie ihm nicht und wollte es auch gar nicht. Doch Messer wären gegen eine ganze Horde ohnehin wertlos, und sie war davon überzeugt, daß North sich nicht allein eingefunden hatte. Liebe Tochter, dachte Schlange, ich habe nie behauptet, dies würde ein leichtes Unternehmen sein. Melissa wich zurück, als North einen Schritt auf sie zu tat. Ihre Knöchel waren weiß.
    »Fürchte dich nicht vor mir, Kleines. Und verzichte auf Mätzchen. Ich habe mehr Hilfsmittel zur Verfügung, als du dir vielleicht vorstellst.«
    Melissa zog langsam, mit gesenktem Blick, ihr Messer und ließ es vor ihre Füße fallen. Mit einer ruckartigen Bewegung seines Kinns befahl North den Verrückten hinüber zu Melissa.
    »Durchsuche sie.«
    Schlange legte eine Hand auf Melissas Schulter. Das Kind war verkrampft und zitterte.
    »Er braucht sie nicht zu durchsuchen. Ich gebe dir mein Wort, daß Melissa keine weiteren Waffen besitzt.«
    Schlange spürte, daß Melissa sich schon fast bis an die Grenze des Erträglichen beherrscht hatte. Ihre Abneigung und ihr Abscheu vor dem Verrückten mußten sie stärker belasten, als ihre Gemütsverfassung es auszuhalten vermochte.
    »Das ist nur ein Anlaß mehr, um sie zu durchsuchen«, sagte North. »Aber wir wollen, was die Gründlichkeit angeht, nicht übereifrig sein. Möchtest du zuerst an die Reihe kommen?«
    »Das wäre wohl besser«, sagte Schlange.
    Sie streckte die Hände hoch, und North klopfte sie ab, ließ sie sich dann jedochumdrehen, die Arme senken, sich vorbeugen und gegen die knotigen Äste eines Baumes lehnen. Hätte sich Schlange nicht wegen Melissa gesorgt, sie wäre über diese ganze Wichtigtuerei belustigt gewesen. Nichts geschah während eines Zeitraums, der beträchtlich lange zu dauern schien. Schlange wollte sich schon wieder umwenden, aber da berührte North plötzlich mit der Kuppe eines seiner bleichen Finger die neueren, rosigen Narben an ihrer Hand.
    »Aha«, sagte er leise und so dicht an ihrem Ohr, daß sie seinen warmen, unangenehmen Atem spürte, »du bist eine Heilerin.«
    Schlange hörte die Armbrust, als der Bolzen sich in ihre Schulter bohrte, der Schmerz sich wie eine Flutwelle in ihrem Körper ausbreitete. Ihre Knie wankten, aber sie konnte nicht fallen. Die Aufprallwucht des Bolzens sandte Schwingungen durch den Baumstamm, durch ihren Körper auf und nieder. Melissa schrie vor Wut. Schlange vernahm nun unmißverständlich andere Leute in ihrem Rücken. Warmes Blut rann über ihr Schulterblatt und ihre Brust. Mit der Linken ertastete sie den Schaft des Bolzens, wo er aus ihrem Fleisch ragte und sich in den Baum gebohrt hatte, aber ihre Finger glitten ab, und das Holz hielt die Bolzenspitze fest. Melissa war an Schlanges Seite und stützte sie nach besten Kräften. Hinter ihr verwoben sich fremde Stimmen zu einem wirren Klangvorhang. Jemand packte den Bolzen und riß ihn aus dem Holz, zerrte ihn dann aus der Muskulatur.
    Das Scharren des hölzernen Schaftes über einen Knochen entrang Schlange ein Keuchen. Die glatte, kühle Metallspitze glitt aus der

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