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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Nerven noch gar nicht zertrennt, als wir sie fanden.«
    »Sie waren zertrennt.«
    »Aber wir wußten ja gar nicht, wie es um ihren Rücken stand. Wir dachten, sie sei nur am Kopf verletzt. Es kann sein, daß wir ihre Wirbelsäule verdreht haben und dadurch...«
    Schlange legte eine Hand auf Alex‘ Unterarm. »Der Bruch ist infolge eines unerhört wuchtigen Aufpralls entstanden«, sagte sie, »Jeder andere Heiler kann dir das auf den ersten Blick bestätigen. Das Unheil geschah, als sie stürzte. Glaube mir... Du und Merideth konntet ihr keinen derartigen Schaden zufügen.«
    Die harten Muskeln seines Unterarms entspannten sich. Erleichtert nahm Schlange ihre Hand fort. Alex‘ stämmiger Körper besaß soviel Kraft, die er mit solcher Selbstbeherrschung bezähmte, daß sie schon befürchtet hatte, er könne die eigene Gewalt ungewollt gegen sich selbst wenden. Er war für die Dreierschaft wichtiger, als er den Eindruck erweckte, wahrscheinlich sogar wichtiger, als er selber wußte. Alex war von den dreien der praktische Gefährte, derjenige, der das Lager reibungslos in Ordnung hielt, der sich mit Merideths Käufern auseinandersetzte, jener in der Dreierbeziehung, der die romantischen Naturen des Künstlers Merideth und der Abenteurerin Jesse ausglich. Schlange hoffte, daß die Wahrheit, die sie ihm mitgeteilt hatte, seine Spannungen und Schuldgefühle linderte. Vorläufig konnte sie nicht mehr für ihn tun.
     
    Während sich das abendliche Zwielicht näherte, streichelte Schlange Sands glatte, gemusterte Schuppen. Sie machte sich nicht länger Gedanken darüber, ob dem Diamantenrücken das Streicheln behagte oder ob ein Geschöpf mit so kleinem Hirn wie Sand überhaupt Behagen zu empfinden vermochte. Die kühle Wahrnehmung unter ihren Fingern bereitete ihr Vergnügen, und Sand lag still zusammengerollt, züngelte nur gelegentlich seine Zunge heraus. Seine Farben waren hell und kräftig; er hatte vor kurzem seine alte Haut ausgewachsen und sie abgestreift.
    »Ich lasse Ihn zuviel essen«, sagte Schlange zärtlich, »Ihn faule Kreatur.«
    Schlange zog die Knie unters Kinn. Gegen das schwarze Gestein war die Musterung der Klapperschlange fast so auffällig, wie es Dunsts Albinoschuppen waren. Weder Schlangen noch Menschen noch überhaupt irgend etwas, das auf der Erde überlebt hatte, war bereits an die Welt in deren jetzigem Zustand angepaßt.
    Dunst befand sich außerhalb ihres Blickfelds, aber Schlange sorgte sich deswegen nicht. Beide Schlangen waren auf sie fixiert, würden stets in ihrer Nähe bleiben, ihr sogar folgen. Keine von ihnen besaß einen besonderen Hang, etwas über die ihnen von den Heilern angezüchtete Fixierung hinaus zu lernen, aber Dunst und Sand würden sich auf jeden Fall unverzüglich einfinden, wenn sie am Grund die Schwingungen des Klopfens von Schlanges Hand wahrnahmen.
    Schlange saß an einen Felsklotz gelehnt, im Rücken gepolstert mit der Wüstenrobe, die Arevin ihr gegeben hatte. Sie fragte sich, was Arevin jetzt treiben mochte, wo er war. Sein Volk bestand aus Nomaden, Züchtern großer Moschusochsen, deren Unterwolle ihnen zum Handel diente, da sie fein und seidig war. Um seinen Klan wiederzufinden, würde sie tüchtig suchen müssen. Sie hatte keine Ahnung, ob ihr das jemals möglich sein konnte, obwohl sie sich ein Wiedersehen mit Arevin sehr wünschte. Und die Wiederbegegnung mit seinem Stamm mußte sie stets an Gras‘ Tod erinnern, falls sie ihn überhaupt jemals vergessen konnte. Ihre Fehleinschätzung dieser Menschen, ihre eigenen Fehler waren die Ursache dafür, daß es Gras nicht länger gab. Sie hatte erwartet, daß sie trotz ihrer Furcht auf ihr Wort vertrauten, und ohne es zu beabsichtigen, hatten sie ihr gezeigt, wie überheblich ihre Annahme gewesen war. Schlange verdrängte ihre Niedergeschlagenheit.
    Nun hatte sie eine Chance zur Bewährung. Wenn sie mit Jesse ging, falls sie herauszufinden vermochte, woher die Traumschlangen stammten, neue Exemplare in ihren Besitz bringen und vielleicht sogar entdecken konnte, warum sie auf der Erde so brutunwillig waren, dann stand ihr eine Heimkehr im Triumph bevor, nicht in Ehrlosigkeit – dann nämlich war ihr Erfolg beschieden, wo ihre Lehrer und Generationen von Heilern scheiterten.
    Es war Zeit zur Rückkehr ins Lager. Sie erklomm den flachen Hügel herabgestürzten Gesteins am Zugang der Schlucht und hielt Ausschau nach Dunst. Die Kobra lag eingerollt auf einem großen Basaltbrocken. Auf der Kuppe der Anhöhe langte

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