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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Hamilton hatten einen Stand, in dem Kinder mit einem kleinen Bogen auf eine Zielscheibe schießen konnten, die an einem Heuballen hing. Ihr Stand war ein großer Erfolg. Drei Schüsse kosteten einen Penny. Die Einnahmen sollten dem neuen Waisenhaus von Cameron Town zugute kommen. Aber Pauline konnte sich nicht auf ihre Aufgabe konzentrieren, denn zwei Dinge beschäftigten sie: Babys und ein Mann, den sie im letzten Monat in Melbourne kennengelernt hatte – John Prior, ein Geschäftsmann aus Sydney. John Prior sah Hugh Westbrook erstaunlich ähnlich.
    »Die kleine Jane hat Koliken«, Mercy beobachtete Pauline, die einem kleinen Jungen half, den Bogen zu spannen. »Maude Reed hat mir geraten, Pfefferminz in ihre Milch zu geben, aber es scheint nicht zu helfen.«
    Pauline hatte ein Buch über Säuglingspflege gelesen. Eine bekannte Kinderschwester aus Melbourne hatte es geschrieben. Pauline las auch Artikel in Frauenzeitschriften über Babypflege, und sie hörte immer aufmerksam zu, wenn Mütter Erfahrungen austauschten. Sie wollte Mercy sagen, daß Pfefferminz für Säuglinge zu anregend war und daher die mildere grüne Minze vorzuziehen sei. Aber Pauline verzichtete darauf, Mercy einen Rat zu geben. Sie hatte seit langem begriffen, wenn es um Kinder ging, dann hörte niemand auf eine Frau, die selbst keine Kinder hatte.
    Es ist ungerecht, dachte Pauline, während sie die schmalen Schultern des Jungen umfaßte, dem sie beim Zielen half. Pauline wußte sehr viel über Säuglingspflege. Sie konnte nichts dafür, daß sie noch kein Kind hatte. Und sie wußte, wenn man ein Baby bekam, wurde man damit noch nicht automatisch zu einer Expertin. Aber es war eine besondere Auszeichnung, ein Kind zur Welt zu bringen. Kinderlose Frauen galten irgendwie als Versagerinnen und als zweitklassig. Ganz bestimmt hielt man sie nicht für kompetent, etwas zum Thema Kinderpflege beizutragen.
    Pauline sehnte sich manchmal so sehr nach einem Kind, daß sie mitten in der Nacht aufwachte und feststellte, daß sie im Schlaf geweint hatte. In den ersten Jahren ihrer Ehe mit Colin hatte sie sehnsüchtig auf ein Kind gewartet, das nie kam. Sie suchte Ärzte in Melbourne auf, aber man konnte ihr nicht helfen. Pauline sprach mit den Hebammen in der Gegend. Sie empfahlen ihr, verschiedene Tees zu trinken und bestimmte Kräuter unter das Kopfkissen zu legen. Aber nichts hatte zu dem ersehnten Erfolg geführt.
    »Es ist Gottes Wille, meine Liebe«, hatte Pastor Moorehead gesagt, als sie ihm ihre Sorgen gestand. »Sie können nichts tun, um etwas daran zu ändern. Aus Gründen, die nur ER kennt, bekommen Sie keine Kinder.«
    Aber es ist nicht gerecht, wollte Pauline einwenden. Louisa Hamilton hatte sechs Kinder. Konnte Gott seine Gunst nicht etwas gerechter verteilen?
    Maude Reed nannte schließlich einen anderen Grund für ihre Unfruchtbarkeit, und Pauline fragte sich inzwischen, ob Maude vielleicht recht hatte. »Wenn ein Kind empfangen werden soll, dann muß Liebe vorhanden sein«, hatte Maude unverblümt festgestellt. »Ich spüre eine gewisse Kälte zwischen Ihnen und Colin. Unter solchen Bedingungen wird kein Kind empfangen.«
    Liegt es daran? überlegte Pauline. Ist die mangelnde Zärtlichkeit die Wurzel des Übels? Wollte ihr das vielleicht auch Pastor Moorehead sagen? Erlaubte Gott nicht, daß Kinder in ein liebloses Leben geboren wurden? Sollte das der Fall sein, dann gab es offenbar nur eine Lösung des Problems: Sie mußte Colin irgendwie dazu bringen, sie zu lieben.
    Nach sieben Jahren Ehe war Colin für Pauline eher ein Fremder als ein Ehemann. Ihr Leben verlief in zwei Kreisen, die sich unabhängig voneinander drehten und sich nur bei einem Ball oder einer Jagd auf Kilmarnock berührten. Dann spielten Pauline und Colin das vollkommene Ehepaar. Als idealer Ehemann stand Colin an ihrer Seite, als ideale Ehefrau lachte sie über seine Scherze, und sie ergänzten sich augenscheinlich gegenseitig bestens – Colin mit seiner Arroganz und Pauline mit ihrer Schönheit. Victorias bessere Gesellschaft huldigte den Pseudo-Majestäten auf Kilmarnock, anschließend verabschiedeten sich die Gäste neidvoll und bewundernd, und alle hatten viel teuren Champagner getrunken.
    Danach lösten sich die beiden Kreise wieder voneinander. Colin inspizierte seine Schafe und erschien in seinem Club in der Stadt. Er engagierte sich in der Kommunalpolitik, und Pauline widmete sich ihrer Wohltätigkeitsarbeit, erschien im Tennisclub und trainierte Bogenschießen.

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