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Treffpunkt Irgendwo

Titel: Treffpunkt Irgendwo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fuchs
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saß auf dem nassen Boden, neben sich ein paar leere Bierflaschen und stierte vor sich hin. Mich bemerkte er erst, als ich direkt vor ihm stand.
    »Hey!«
    Seine Reaktion war ein müder Blick zu mir empor.
    »Ich habe im Fernsehen die Räumung gesehen«, sprach ich weiter. »Voll gemein. Die haben sie doch nicht mehr alle, die hätten euch doch da weiter wohnen lassen können.«
    Len tastete mit der Hand nach den Bierflaschen, hob sie eine nach der anderen hoch, doch da sie alle leer waren, ließ er sie achtlos wieder fallen. Sie rollten klirrend durcheinander, eine ging zu Bruch.
    »Hast du Hunger?«, fragte ich. »Wo hast du geschlafen? Soll ich dich auf einen Kaffee einladen?«
    Er grunzte eine unverständliche Antwort. Kein Zweifel, Len war sturzbetrunken.
    »Einen Kaffee?«
    »Mit viel Milch und zwei Zucker«, lallte er.
    »Okay«, rief ich aufgeregt. »Nicht weglaufen, bin gleich wieder da.«
    Ich rannte zum Backshop in der Halle des S-Bahnhofs und bestellte einen großen Milchkaffee sowie zwei Schokocroissants. Während die junge Frau hinter dem Verkaufstresen den Kaffee zubereitete, sah ich immer wieder besorgt durch die Glasscheibe hinüber zu Len. Doch das hätte ich mir sparen können, der lag regungslos zwischen seinen Flaschen und sah nicht danach aus, als ob er verschwinden wollte.
    Mit dem Kaffee und den Schokoteilen in der Hand bin ich dann zu ihm zurück.
    »Hier.«
    »Danke.« Er griff den heißen Kaffee und trank so gierig den ersten Schluck, dass er sich die Lippe verbrühte.
    »Ich dachte du hast vielleicht Hunger«, ich hielt ihm die Tüte aus dem Backshop vor die Nase. Er griff hinein und biss in das Croissant.
    »Die von drüben sind besser«, sagte er mit vollem Mund und versuchte ein Grinsen. »Die hier sind so Aufbackscheiße.«
    »Wusste ich nicht.«
    »Ist aber echt so.«
    »Beim nächsten Mal denke ich dran«, sagte ich leichthin.
    »Gut«. Nachdem der Kaffee geleert und die beiden Gebäckteilchen verspeist waren, versuchte Len aufzustehen. Was ihm aber nur halb gelang, er knickte mit dem linken Fuß weg und wäre voll in die Scherben gefallen, wenn ich ihn nicht gestützt hätte.
    »Entschuldigung«, murmelte er.
    »Len, kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte ich besorgt. »In deinem Zustand kannst du nicht hier draußen bleiben. Soll ich dich irgendwohin bringen? Ins Krankenhaus, die Stadtmission hat doch so…« Ich stockte.
    »Obdachlosenheime!«, setzte Len überdeutlich und laut meinen Satz fort. »Ja, denn wegen der Bullenschweine bin ich obdachlos!« Er stieß mich von sich weg und sackte langsam an der Säule entlang wieder nach unten. »Aber eher verrecke ich, bevor ich dahin gehe. So weit runter bin ich nicht. Und he, ja, ich brauche deine Hilfe nicht. Ich bin mit ein paar Kumpels verabredet. Danke für den Kaffee und jetzt hau ab!«
    Und das war dann einfach zu viel. Das sagte niemand zweimal zu mir. Ohne mich noch einmal umzusehen, wütend und gekränkt, bin ich in die S-Bahn und zurück in meine Welt.

Kapitel 4
    B is zu unserem nächsten Aufeinandertreffen dauerte es schätzungsweise zwei Wochen. Und diesmal war es wirklich Zufall, von mir keineswegs auch nur ansatzweise geplant. Ich hatte mit Len abgeschlossen. Dachte kaum noch an ihn, war mit mir und meinem Leben beschäftigt. Klausuren, das einigermaßen gemeisterte Klaviervorspiel und natürlich der alltägliche Stress mit Eltern und herumzickenden Freundinnen.
    Und dennoch ließ mich Len und wie er lebte einfach nicht los. Es war merkwürdigerweise so, dass sich auf ganz eigene Art meine Wahrnehmung verändert hatte. Bis zu diesem Abend im Kessel, bis zu meinem ersten Kontakt mit Len waren mir diese vielen Menschen, die in Berlin auf der Straße lebten, einfach nicht aufgefallen. Sicher, ich hatte schon gesehen, da saß eine Gruppe in einem Hauseingang, auf diesem oder jenem Platz hängen welche ab und besonders in der S-Bahn oder in der Nähe der S-Bahnhöfe sah man sie ständig. Doch ich hatte sie nie wirklich bemerkt, sozusagen. Sie waren nicht Teil meines Berlins.
    Das hatte sich geändert. Plötzlich nahm ich sie wahr.
    Ich war mit Zerved, Mia und Franzi auf dem Weg zum S036. Che Sudaka, eine, Mias Auskunft nach, total abgefahrene spanisch-argentinische Punk-Ska-Band würde am Abend ein Konzert geben und Zerved hatte von einem Kumpel eine SMS bekommen, dass für das eigentlich ausverkaufte Konzert um 17:00 Uhr noch ein paar Restkarten an der Abendkasse verkauft werden würden. Ich kannte die Band nicht, aber

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